Rauchverbot«Es stört, wenn man im Freien eingenebelt wird»
Verena El Fehri von der Tabakprävention würde ein Rauchverbot auf Spielplätzen oder an Bushaltestellen begrüssen. Politiker hingegen wehren ab.
Am Bahnhof oder vor dem Eingang des Büros noch kurz eine Zigarette rauchen: Geht es nach CVP-Grossrätin Nadia Ghisolfi, soll es damit im Tessin bald vorbei sein. In einem Vorstoss im Grossen Rat fordert sie Rauchverbote auf öffentlichen Spielplätzen, bei Haltestellen des öffentlichen Verkehrs und vor dem Eingang öffentlicher Gebäude.
Zudem verlangt sie, dass Raucher und Nichtraucher künftig auf Terrassen getrennte Bereiche zugeordnet erhalten. Während Gesundheitspolitiker in Bundesbern skeptisch sind (siehe Box), begrüssen Fachleute die Forderung. Im Interview erklärt Verena El Fehri, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft für Tabakprävention, warum.
Frau El Fehri, die Tessiner Grossrätin Nadia Ghisolfi möchte Raucher auch im Freien an die Leine nehmen. Geht das nicht zu weit?
Nein, Ich finde all ihre Vorschläge sehr gut. Auch wenn man sich im Freien aufhält, kann Passivrauchen trotzdem die Gesundheit beeinträchtigen. Die von ihr erwähnten Konflikte von Nichtrauchern und Rauchern – etwa auf Restaurantterrassen, an Bahnhöfen oder auf Spielplätzen – wurden schon häufig an uns herangetragen. So gibt es bereits Gemeinden, die ein Rauchverbot auf Spielplätzen umgesetzt haben. Dort geht es grundsätzlich um zwei Kernpunkte: Erstens um die Vorbildwirkung von Erwachsenen. Und zweitens um die Zigarettenstummel, die am Boden liegen bleiben.
In der Wissenschaft gibt es keinen Konsens darüber, ob Passivrauch im Freien wirklich schädlich ist.
Das kommt sowohl auf den Raum als auch auf die Person an. Wenn jemand gerade neben einer Person mit Lungenproblemen raucht, kann das Probleme auslösen. Kinder sind sowieso sehr anfällig und sollten, so gut es geht, geschützt werden. In der Umgebung von Kindern sollte auch im Freien nicht geraucht werden. Die Auswirkungen auf gesunde Erwachsene sind auch noch nicht bekannt. Messungen am Basler Bahnhof zeigten beispielsweise, dass der Schadstoffgehalt in der Luft ziemlich hoch war. Wir müssen bei solchen Forderungen immer an die Schwächsten denken: an Kinder, Kranke und ältere Menschen.
Braucht es wirklich Nichtraucherzonen auf Terrassen? Die Leute können ja auch Rücksicht aufeinander nehmen, ohne dass der Staat Vorschriften erlässt.
Wir hören immer wieder von solchen Problemen. Es ist halt störend, wenn man auf der Terrasse sitzt und von links und rechts eingenebelt wird. Die Leute sind wegen des störenden Rauchs gezwungen, ins Innere des Lokals zu gehen, nur weil sie saubere Luft atmen wollen. Das ist im Grunde eine Diskriminierung von nichtrauchenden Gästen. In Italien, wo die rauchfreie Gastronomie schon eine längere Tradition hat, beobachtet man, dass sich die Italiener zum Rauchen von der Terrasse entfernen. Diese Umsicht lassen viele Deutschschweizer oder Deutsche vermissen.
Die Schweizer Bevölkerung steht hinter dem Rauchverbot. Ist Ihrer Meinung nach jetzt die Zeit reif für den nächsten Schritt?
Das sehen wir spätestens dann, wenn die Vorstösse im Tessin behandelt werden. Die Frage von rauchfreien Zonen auf Terrassen wird sicher noch zu diskutieren geben. Es wird aber schwierig sein, die Gastronomie und Bürger zu überzeugen.
Das Tessin hatte bei der Einführung des Rauchverbots in Gebäuden eine Pionierrolle. Werden Raucher über kurz oder lang auch draussen genau überlegen müssen, wo sie sich eine Zigarette anstecken dürfen?
Davon gehe ich aus. Unsere Nachbarländer sind schon weiter: In Frankreich ist es verboten, auf Kinderspielplätzen zu rauchen. Sowohl Italien als auch Frankreich haben ausserdem ein Rauchverbot im Innern des Auto erlassen, wenn schwangere Frauen oder Kinder dabei sind. Die Schweiz hinkt im Schutz vor dem Passivrauchen immer hinterher.
«Irgendwo hat es Grenzen»
Neue Einschränkungen für Raucher haben auf Bundesebene derzeit einen schweren Stand. So sagt etwa SP-Nationalrätin Silvia Schenker, eine der Vorkämpferinnen für das Rauchverbot in geschlossenen Räumen: «Der Schutz vor Passivrauchen ist mir wichtig, aber irgendwo hat es Grenzen.» Am ehesten sei sie noch für ein Verbot auf Spielplätzen offen. Es sei ihr nie darum gegangen, Rauchern ihre Zigarette madig zu machen. «Auch ich habe mich schon gestört, wenn jemand direkt neben mir auf einer Restaurant-Terrasse geraucht hat.» Dann müsse man eben den Mut haben, die Person um Rücksichtnahme zu bitten.
Ähnlich äussert sich Maja Ingold (EVP): «Weitere Verschärfungen haben im Parlament keine Chance.» Man habe beim Passivraucherschutz grosse Fortschritte gemacht und die Belastung auf ein vertretbares Mass reduziert. «Wir sollten den Goodwill der Bevölkerung nicht überstrapazieren und mit weiteren Verschärfungen einen Streit vom Zaum brechen. Dass man zum Rauchen nach draussen geht, scheint mir ein guter Kompromiss zu sein.» Wolle etwa die SBB das Rauchen in Bahnhöfen verbieten, könne sie das tun. «Vielleicht ziehen dann andere Firmen nach.»