Sie haben das Grundeinkommen schon

Aktualisiert

1000 Euro pro MonatSie haben das Grundeinkommen schon

In Deutschland werden bereits Grundeinkommen von 1000 Euro pro Monat ausbezahlt. Doch was stellen die Empfänger mit dem Geld an?

von
D. Waldmeier
Letztes Jahr bekam der damals achtjährige Robin Zimmer ein Grundeinkommen von monatlich 1000 Euro ausbezahlt. Laut Mutter Olga hat das der vierköpfigen Familie ein entspannteres Leben ermöglicht.
Gewinnerin Katrin Klink ist ein Fan des Grundeinkommens. Trotzdem bezeichnet auch sie die Folgen der Schweizer Initiative als unkalkulierbar: «Ungelöst ist das Problem, wie man Leute für unbeliebte Jobs motivieren könnte.»
Auch Sonja Dohm (27) freut sich über die 1000 Euro pro Monat, die sie seit Dezember bekommt. Sie arbeitet Teilzeit als Grafikerin. Das Geld habe ihr vor allem Sicherheit gegeben, als ihr befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen war.
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Letztes Jahr bekam der damals achtjährige Robin Zimmer ein Grundeinkommen von monatlich 1000 Euro ausbezahlt. Laut Mutter Olga hat das der vierköpfigen Familie ein entspannteres Leben ermöglicht.

ReFrame

Monatlich 2500 Franken für jeden Erwachsenen im Land, 625 Franken für jedes Kind – und das, ohne dafür einen Finger krümmen zu müssen: Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wollen die Initianten die Wirtschaftsordnung umkrempeln. Die Gegner warnen vor den unkalkulierbaren Folgen der Initiative, die am 5. Juni zur Abstimmung kommt.

Während das Stadtparlament von Lausanne kürzlich grünes Licht für ein Pilotprojekt zur Erforschung des Grundeinkommens gegeben hat, wurden in Deutschland schon 39 Grundeinkommen vergeben – finanziert durch Crowdfunding. Das Grundeinkommen beträgt 1000 Euro und wird während zwölf Monaten ausbezahlt. Die Initianten vom Verein «Mein Grundeinkommen» ziehen eine positive Bilanz: Entgegen der landläufigen Meinung lägen die Gewinner nicht einfach auf der faulen Haut.

Gewinner schwärmen von der neuen Freiheit

Seit Dezember erhält Katrin Klink ein bedingungsloses Grundeinkommen. «Dieses ist für mich wie ein Geschenk des Himmels», sagt die 53-jährige Kölnerin. Als freie Grafikerin, Editorin und Fotografin arbeitete sie bis dahin zwölf bis 14 Stunden am Tag. Dank den monatlich 1000 Euro habe sie nun mehr Zeit auch für andere Projekte. So hat sie ein Fernstudium in betrieblichem Gesundheitsmanagement abgeschlossen und ein Buch im Selbstverlag veröffentlicht. «Ich verschwende das Geld nicht, der Dauerdruck ist aber weg.» So arbeite sie etwas weniger lange als zuvor.

Klink sagt, sie sei ein Fan des Grundeinkommens, weil es den Menschen die Existenzängste nehmen würde. Allerdings bezeichnet auch Klink die Folgen eines Jas der Schweizer zum Grundeinkommen als unkalkulierbar. «Die Verlockung wäre gerade für Junge gross, mit dem Geld erst einmal durch die Welt zu ziehen.» Auch sei das Problem ungelöst, wie man Leute für unbeliebte Jobs motivieren könne: «Ich liebe meinen Job, das ist aber nicht bei allen der Fall.»

«Einige würden wohl das Pensum reduzieren»

Letztes Jahr bekam auch der damals achtjährige Robin Zimmer ein Grundeinkommen ausbezahlt. Laut Mutter Olga hat es der vierköpfigen Familie ein entspannteres Leben ermöglicht: «Robin hat monatlich eines oder mehrere Bücher bekommen und wir konnten uns mehr Ausflüge leisten.»

Da ihr Mann im Aussendienst ein variables Gehalt habe und sie als Krankenschwester mit einem 25-Prozent-Pensum 500 Euro verdiene, habe das Grundeinkommen einen spürbaren Unterschied ausgemacht. Sie würde weiterarbeiten, auch wenn das Grundeinkommen nicht befristet wäre. «Vielleicht würden einige Leute das Pensum reduzieren, weil sie unter dem Tempo der Arbeitswelt leiden. Gerade in der Pflege, wo Menschlichkeit gefragt ist, ist der wirtschaftliche Druck enorm hoch», so die Schwäbin mit russischen Wurzeln.

Auch Sonja Dohm (27) freut sich über die 1000 Euro pro Monat, die sie seit Dezember bekommt. Sie arbeitet Teilzeit als Grafikerin. Das Geld habe ihr vor allem Sicherheit gegeben, als ihr befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen war. «Ich wusste, dass ich vor der Arbeitslosigkeit keine Angst haben muss und in aller Ruhe einen geeigneten Job suchen kann, ohne dass mir ein Amt Auflagen macht.» Der Vorteil des bedingungslosen Grundeinkommens sei, dass es die Empfänger nicht entwürdige, denn «wer Hartz IV bezieht, der wird oft stigmatisiert».

«Experiment ist nicht repräsentativ»

Den Schweizerischen Arbeitgeberverband überzeugen die Positiv-Berichte der Gewinner nicht. Aus dem nicht repräsentativen Experiment könne man nicht schliessen, dass auch in der Schweiz alle Leute weiterarbeiten würden, wenn sie ein Grundeinkommen erhielten. «Personen mit geringen Löhnen oder Zweitverdiener hätten weniger oder gar keine Anreize mehr zu arbeiten», sagt Präsident Valentin Vogt. Es sei also absehbar, dass Arbeitsplätze mit Lohneinkommen verloren gingen und die Wirtschaft an Leistungskraft einbüssen würde. Dadurch würden dem Staat Steuereinnahmen entgehen, die er gerade auch zur Finanzierung des Grundeinkommens dringend bräuchte. Am Ende dieser Negativspirale könne ein ganzes Land verarmen.

«Tatsache ist, dass mit einem ‹unverdienten› Grundeinkommen Leistung generell weniger honoriert wird und Nichtstun attraktiver wird», so Vogt. Es handle sich in Deutschland um ein zeitlich befristetes Hors-sol-Projekt, das eher mit einem einmaligen Lottogewinn verglichen werden könne. «Dass bisher lediglich 39 Personen finanziert werden konnten, lässt darauf schliessen, dass die breite Bevölkerung einer solchen Idee skeptisch gegenübersteht und die Utopie lieber Utopie sein lässt.»

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