Warum musste Blattmann wirklich gehen?

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Rücktritt des ArmeechefsWarum musste Blattmann wirklich gehen?

Gripendebakel, Zerwürfnis mit der SVP und Geheimnisse vor Parmelin: Deshalb wurde die Luft für den abtretenden Armeechef André Blattmann dünn.

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Offiziell erfolgte der Rücktritt von Armeechef André Blattmann in «gegenseitigem Einverständnis». Hinter den Kulissen wird jedoch gemunkelt: Wieso geht der Armeechef jetzt, kurz nach dem Antritt des neuen Verteidigungsministers Parmelin, und nur neun Monate vor seiner ordentlichen Pensionierung? Politiker und Experten finden fünf mögliche Erklärungen für das überraschende Ende der Karriere Blattmanns:

Streit mit der SVP

SVP-Stratege Christoph Mörgeli freut sich über den Abgang des Armeechefs. «Dieser Entscheid war richtig und nötig.» Auch für SVP-Nationalrat Adrian Amstutz ist Blattmanns Abgang der richtige Entscheid zum richtigen Zeitpunkt. «Es ist gut, dass es nun einen neuen Kopf an der Armeespitze gibt.» Die Freude in der SVP ist nicht unbegründet: Blattmanns Position als Chef der Armee war bei der Partei immer umstritten – so sehr, dass Blattmann letzten September hinter dem Rücken von Verteidigungsminister Maurer für den eigenen Job weibeln musste. Von Amstutz wurde Blattmann dafür mitten im Bundeshauscafé gerüffelt.

Besser als ein Chef der Armee wäre für Amstutz ein Generalstabschef wie früher, welcher ähnlich dem Bundespräsidenten als «Primus inter Pares» unter den Chefs der einzelnen Armeebereiche die Leitung übernimmt. «Der Chef der Armee ist momentan ein unschweizerisches Nadelöhr zum Bundesrat mit zu viel Macht.» Gerade bei der Sicherheit von Land und Leuten sei das Mehraugenprinzip ein Muss.

Neuer Chef

Laut Mörgeli ist unter Parmelin die Luft dünner geworden. Blattmann und Maurer seien alte Freunde. «Sie sind beide in Hinwil aufgewachsen und haben ihre Ausbildung in Wetzikon absolviert», schrieb er in der «Weltwoche». Unter Parmelin wehe möglicherweise ein anderer Wind. Auch Juso-Chef Molina mutmasst: «Es kann durchaus sein, dass sich Parmelin und Blattmann nicht gut verstanden haben.» Dass Parmelin als Nachfolger einen Romand ernennt, ist gut möglich: Als Favoriten gelten laut «Schweiz am Sonntag» unter anderen Philippe Rebord aus Lausanne und der Freiburger Dominique Andrey.

Debakel bei Gripen, Duro und Bodluv

Die Amtszeit von Blattmann war von Debakeln geprägt: Das Volk sagt Nein zum Gripen, die Sanierung der Duro-Transporter kostete mehr als neue Fahrzeuge und das Bodluv-Projekt wurde sistiert. Es sei Blattmann nicht gelungen, die Interessen der Armee zu verteidigen, sagt Mörgeli.

«Blattmann hat es nicht geschafft, das Volk vom Gripen zu überzeugen.» Organisatorisch gebe es bei der Armee ebenfalls Mängel, welche Blattmann nicht beheben konnte. Für Molina war es «Pech, dass Blattmann während des Gripen-Absturzes Armeechef war». Auch Blattmann selbst sieht seinen grössten Fehler darin, der Bevölkerung die teure Duro-Sanierung nicht gut genug erklärt zu haben – für das Gripen-Debakel will er die Verantwortung nicht tragen.

Laut der «Rundschau» informierte Blattmann Parmelin zudem nicht über die Schwachstellen des Flugabwehrsystems Bodluv und musste deshalb am Montag beim VBS-Chef antraben – der Rücktritt stand damals aber laut Parmelin schon fest.

Antiquiertes Armeeverständnis

Für Juso-Chef Fabian Molina hatte Blattmann ein falsches Bild von den Aufgaben der Armee. «Der Mann lagerte Notvorräte in seinem Haus, das zeigt doch, dass er geistig wohl im Kalten Krieg steckengeblieben ist.» Dieses Armeeverständnis passe nicht ins 21. Jahrhundert und in eine moderne Schweizer Armee. «Die Bedrohungslage mit Terrorismus und Cyberkriminellen verlangt einen Armeechef, der nicht auf Abschreckung, sondern auf Stabilität und Zusammenarbeit setzt.»

Neue Ära in der Armee

Für Daniel Slongo von der Schweizerischen Offiziersgesellschaft liegt der Grund für Blattmanns Abgang kurz vor seiner Pensionierung beim Projekt Weiterentwicklung der Armee (WEA). Dieses sei von Blattmann geplant und aufgezogen worden, die Umsetzung sei aber für seinen Nachfolger vorgesehen. Zwar sei die Umsetzung erst auf 2018 geplant, doch es brauche auch Vorbereitungsarbeit. «Dass Blattmann kurz vor seiner Pensionierung nicht noch ein neues Projekt anfangen will, ist verständlich.» Dies sieht auch der abtretende Armeechef so: «Es wäre nicht sinnvoll, wenn ich mit der Umsetzung der Armeereform beginnen und ein halbes Jahr später pensioniert würde», sagte Blattmann.

Verteidigungsminister Parmelin und Armeechef Blattmann wollen von den Spekulationen jedoch nichts wissen. An der Medienkonferenz betonten sie, der Entscheid sei einvernehmlich erfolgt. Auch das Gripen-Nein, die hohen Duro-Kosten oder Vorfälle um die Sistierung des Bodluv-Flugabwehrsystems hätten keinen Zusammenhang mit dem Rücktritt von Blattmann.

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