Tabubruch: Kirche macht Werbung im Tram und Kino

Aktualisiert

Zu wenig PersonalTabubruch: Kirche macht Werbung im Tram und Kino

Erstmals wirbt die katholische Kirche um Personal. Damit stösst sie intern auf Widerstand: Für eine Berufung dürfe man nicht werben. Höchstens beten.

von
D. Pomper

Es ist fast eine kleine Revolution innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz. Zum ersten Mal nehmen die Deutschschweizer Bistümer und die Landeskirchen für eine Werbekampagne Geld in die Hand, um den Personalmangel zu bekämpfen.

Unter anderem wird im öffentlichen Verkehr Werbung geschaltet mit Slogans wie «Vergiss Energizers. Die Arbeit mit den Kids verleiht Flügel» oder «In so viel Leben eintauchen. Kein Film, kein Buch ist so packend». Später will man auch in Kinos werben. Die Medienarbeit und die Präsenz an Berufsmessen sollen verstärkt werden. Das auf vier Jahre angelegte Massnahmepaket kostet 900'000 Franken. Finanziert wird es von den Landeskirchen und Stiftungen.

Arbeitsmarkt in Deutschland zusammengebrochen

«Bei konstant tiefen Abschlusszahlen in Theologie und Religionspädagogik ist die Personalsuche für die katholische Kirche eine dringliche Schlüsselaufgabe», sagt Thomas Leist von der Informationsstelle für kirchliche Berufe IKB. Die Anzahl von Theologieabsolventen habe stetig abgenommen.

Zudem habe man zu lange auf Kirchenpersonal aus Deutschland gesetzt: «Doch jetzt ist auch dort der Markt zusammengebrochen.» Jetzt fehlen Priester, Pastoralassistenten, Seelsorger und Religionspädagogen. Gegenüber Kirchenberufen bestünden falsche Vorurteile, sagt Leist. «Viele Menschen glauben noch immer, dass sie keinen solchen Beruf ausüben können, nur weil sie verheiratet sind.» Dabei könnte die katholische Kirche jedem jungen Menschen, der Theologie studiere, eine Festanstellung garantieren.

Doch bis man alle Kirchenvertreter von der Werbekampagne überzeugen konnte, sei es ein langer Weg gewesen, sagt Leist. «In vielen kirchlichen Kreisen herrscht die Meinung vor, dass man für eine göttliche Berufung keine Werbung machen darf.» Für mehr Personal solle man beten.

«Wo bleibt Gott und Jesus?»

Nicht nur positiv sieht man die Aktion etwa im Bistum Chur: «Die Berufung kommt von Gott und nicht von einem Plakat», sagt Sprecher Giuseppe Gracia. Natürlich mache es Sinn, auf die Kirche als einmalige Arbeitgeberin aufmerksam zu machen. Es sei aber schade, dass in den Werbeslogans gerade Schlüsselbegriffe wie Gott, Jesus oder Kirche tunlichst vermieden würden. Die Slogans könnten sich gerade so gut auf Jobs wie Sozialarbeiter oder Kindergärtnerin beziehen.

Ein Repräsentant aus Kirchenkreisen, der nicht namentlich genannt werden will, bezweifelt, dass die Kampagne Wirkung zeigen wird: «Die katholische Kirche hat kein Bekanntheits-, sondern ein Imageproblem. Dieses löst man nicht mit einer Kampagne für Berufsbilder.» Im Gegenteil. Man verstärke es sogar, da die Kampagne die falschen Leute mit falschen Versprechen anlocke.

Unzufriedenes Kirchenpersonal

«Bereits jetzt haben wir grosse Probleme mit frustriertem Kirchenpersonal – vor allem Frauen – die trotz super Ausbildung keine priesterliche Kompetenzen erlangen können», sagt die Quelle. Anstatt die Kirchenberufe mit solchen Slogans wie eine gewöhnliche Laufbahnmöglichkeit schön zu reden, sollte man den Leuten reinen Wein einschenken.

Schon im Januar hatte Martin Grichting, Generalvikar des Bistums Chur, die Personal- und Ausbildungspolitik der katholischen Kirche kritisiert. Die Pastoralassistenten etwa hätten wie die Priester Theologie studiert, würden aber trotzdem immer nur die zweite Geige spielen: «Leiten, Messe feiern, Sünden vergeben, Predigen in der Messe: Das alles ist nach weltkirchlichen Vorgaben and die Weihe gebunden», sagte Grichting damals. Das werde sich auch nicht ändern. Deshalb blieben Laientheologen trotz gleicher Ausbildung immer Assistenten, was sie frustriere.

Damit nahm Grichting Stellung zur Pfarrei-Initiative, die von unzufriedenem Kirchenpersonal lanciert worden war. In einem Brief schrieben die Initianten damals: «Wir Seelsorgende wollen mit der Pfarrei-Initiative öffentlich machen, was in vielen Pfarreien selbstverständliche Praxis ist, die weitgehend auch den Bischöfen bewusst ist und von einigen von ihnen auch geduldet wird.»

Praxis sei etwa, dass die Laientheologen in der Eucharistiefeier predigen, Reformierte zum Abendmahl einladen, den wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion austeilen und Menschen verschiedener sexueller Orientierung voll respektieren. «Offenbar aber wäre es den Bischöfen lieber, wenn wir weiterhin offiziell verschweigen, was grossmehrheitlich seelsorgerliche Praxis ist», steht im Musterbrief.

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