In der Tinner-Affäre steht ein Deal bevor

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AtomschmuggelIn der Tinner-Affäre steht ein Deal bevor

Die Wahrheit in der Atomschmuggelaffäre Tinner bleibt wohl im Dunkeln. Die Bundesanwaltschaft handelt mit den Brüdern zurzeit einen Deal aus – mit Strafen von weniger als fünf Jahren.

Balz Bruppacher
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Balz Bruppacher
Der eidgenössische Untersuchungsrichter Andreas Müller (links) und Urs Tinner.

Der eidgenössische Untersuchungsrichter Andreas Müller (links) und Urs Tinner.

Das dürfte die USA und ihren Geheimdienst CIA freuen: Ihre Rolle in der Atomschmuggelaffäre um die Gebrüder Urs und Marco Tinner und deren Vater Friedrich kommt wahrscheinlich nicht in einem ordentlichen Prozess zur Sprache. Und auch die umstrittene Aktenvernichtung durch den Bundesrat wird kaum von Richtern unter die Lupe genommen.

Die Bundesanwaltschaft (BA) hat im Fall Tinner das abgekürzte Verfahren eingeleitet, wie BA-Sprecherin Walburga Bur einen Bericht der «SonntagsZeitung» bestätigte. Die gesetzlichen Voraussetzungen für dieses Schnellverfahren seien erfüllt. Und es liege im Interesse der Bundesanwaltschaft wie auch der Beschuldigten, das Verfahren effizient zum Abschluss zu bringen. «Die Anklageerhebung ist für die nächsten Wochen geplant», sagte Bur.

Beim abgekürzten Verfahren handelt es sich um eine Neuerung der schweizerischen Strafprozessordnung, die Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Beschuldigte können ein solches Verfahren beantragen, wenn sie im Wesentlichen geständig sind. Staatsanwaltschaft und Beschuldigte handeln dann wesentlichen Inhalte des Urteils inklusive Strafmass unter sich aus. Das Gericht – im Fall Tinner das Bundesstrafgericht – führt kein Beweisverfahren durch, sondern kontrolliert bloss die von den Parteien ausgehandelte Anklageschrift. Die Richter können den Vorschlag genehmigen oder ablehnen.

Weniger als fünf Jahre Knast

Ausgeschlossen ist das abgekürzte Verfahren, wenn der Staatsanwalt eine Strafe von über fünf Jahren verlangt. Die Bundesanwaltschaft wird also ein tieferes Strafmass für die Tinners beantragen. Der eidgenössische Untersuchungsrichter Andreas Müller hatte der Bundesanwaltschaft beantragt, die Tinners wegen Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz anzuklagen. Gemäss Strafgesetzbuch ist dafür eine Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren oder eine Busse von bis zu fünf Millionen Franken möglich. Urs Tinner sass während mehr als vier Jahren in Untersuchungshaft, sein Bruder über drei Jahre und Vater Friedrich knapp fünf Monate.

Untersuchungsrichter Müller hatte sich vor Jahresfrist bitter über die Behinderung seiner Arbeit durch den Bundesrat beklagt. «Die Exekutive hat massiv in den Gang der Justiz eingegriffen, indem sie die Beweise eines hängigen Strafverfahrens fast vollständig zerstören liess und indem sie der Bundeskriminalpolizei Dienstverweigerung befahl», sagte er. Bei der Eröffnung der Voruntersuchung hätten rund 98 Prozent der Beweismittel gefehlt. Grund war die am 14. November 2007 vom Bundesrat in einem Geheimbeschluss angeordnete Vernichtung von Untersuchungsakten.

Keine ausführliche Befragung der Tinners

Der frühere amerikanische IAEA-Experte David Albright hatte dem Bundesrat vorgeworfen, sich dem massiven Druck der USA gebeugt zu haben. Diese wollten mit allen Mitteln verhindern, dass Einzelheiten über die Zusammenarbeit der CIA mit den Tinners bekanntwürden und hätten darum auf eine Verfahrenseinstellung hingearbeitet.

Nun kommt es zwar nicht zur Einstellung des Verfahrens. Genehmigt das Bundesstrafgericht die Anklageschrift im abgekürzten Verfahren, kommt es aber zu keiner Einvernahme von Zeugen und zu keiner ausführlichen Befragung der Tinners. Der Ingenieursfamilie aus dem St. Galler Rheintal wird vorgeworfen, seit den 1970-er Jahren dem «Vater» der pakistanischen Atombombe, Abdul Qadeer Khan, mit Bestandteile für Urananreicherungsanlagen geliefert zu haben. Ab Juni 2003 sollen sie laut dem Experten Albright für die CIA tätig gewesen sein und mehrere Millionen Dollar kassiert haben.

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