Hat die Schweiz ein Dschihadisten-Problem?

Aktualisiert

Verhaftung in der TürkeiHat die Schweiz ein Dschihadisten-Problem?

In der Türkei soll ein Dschihadist aus der Schweiz drei Menschen getötet haben. Ein ETH-Forscher beobachtet die Fundamentalisten-Szene der Schweiz.

von
num
Dieser Mann wurde in der Türkei verhaftet, weil er drei Menschen erschossen haben soll.

Dieser Mann wurde in der Türkei verhaftet, weil er drei Menschen erschossen haben soll.

Ein in der Schweiz aufgewachsener Albaner wurde in der Türkei verhaftet. Zusammen mit zwei Komplizen, einem Deutschen mit chinesischer Mutter und einem Mazedonier soll er drei Menschen erschossen haben.

Vor Gericht verweigerte der Mann die Aussage, sagte nur, er habe mit der Tötung des Soldaten «eine gute Tat» begangen. Den «Ungläubigen» sei er nicht Rechenschaft schuldig – nur Allah, so der Dschihadist.

ETH-Forscher Lorenzo Vidino hat vergangenen November eine Studie zur islamistischen Szene der Schweiz veröffentlicht. Er kam zum Schluss, dass hierzulande einige Dutzend Personen aktiv und gewaltbereit seien.

Herr Vidino, was sagen Sie zum verhafteten Schweizer in der Türkei?

Zuerst einmal will ich festhalten, dass noch nicht bestätigt ist, dass er wirklich Schweizer ist. Sollte dies aber zutreffen, würde es mich nicht überraschen. Der Nachrichtendienst hat erst kürzlich bestätigt, dass etwa eine Handvoll Extremisten aus der Schweiz in Syrien kämpfen wollten. Zu diesem Schluss bin ich in meiner Studie auch gekommen.

Der Täter stammt aus dem Balkan – ist das überraschend?

Nein, gar nicht. Es deckt sich auch mit meinen Erkenntnissen. Einige der im deutschsprachigen Teil der Schweiz lebenden Dschihadisten haben Wurzeln im Kosovo, in Mazedonien oder Albanien, wenige in Bosnien. Einige davon stammen aus Somalia. Aber festzuhalten ist, dass diese Personen hier geboren und hier aufgewachsen sind, den Schweizer Pass haben. Wenn sich diese dann in Syrien einer radikalen Organisation wie der ISIL anschliessen, ist das besorgniserregend.

Warum hat der Täter in der Türkei zugeschlagen?

Ich kann nur vermuten. Ausgehend von den Medienberichten, liegt der Schluss nahe, dass er unter Druck handeln musste. Dass es nicht ein lange vorbereiteter Anschlag war. Und im Nachhinein eine politische Rechtfertigung für einen Anschlag zu finden, ist nicht schwer. In diesem Fall war es offenbar die Nato-Mitgliedschaft der Türkei.

Hat die Schweiz ein Dschihadisten-Problem?

In der Schweiz ist nunmal ein ähnliches Muster wie in anderen Ländern zu erkennen – damit haben alle europäischen Länder zu kämpfen. Frankreich, Belgien, England – dort sind es bereits 400 Personen. Die Szene in Deutschland ist ebenfalls um einiges grösser als in der Schweiz. Deutschland ist in dieser Hinsicht sowieso das Vorbild für die hier radikalisierten Personen.

Warum?

Zunächst wegen der Grösse und der besseren Vernetzung. Und es gibt definitiv Verbindungen von Dschihadisten aus der Schweiz zu Deutschland. Sie bewegen sich in Chaträumen und Foren, die in Deutschland angesiedelt sind. Und wenn sie zum Beispiel in Schaffhausen nahe der Grenze wohnen und extremistisches Gedankengut haben, orientieren sie sich an Stuttgart oder an Bonn, wo eine aktivere Szene als in der Schweiz existiert.

Deine Meinung zählt