Aids-Kampagne zeigt Paare beim Sex

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ProvokationAids-Kampagne zeigt Paare beim Sex

Der Bund bricht ein Tabu: Für die neuste HIV-Kampagne wurden Pärchen in voller Aktion fotografiert und gefilmt. Die Kampagne soll für Gesprächsstoff sorgen.

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Eine Frau reitet auf ihrem Freund, zwei Schwule küssen sich nackt, Pärchen haben Sex in verschiedenen Stellungen: Die neuste Aids-Kampagne dringt weit in die Intimsphäre vor. Sie zeigt echte Paare und echte sexuelle Handlungen. Explizite Pornobilder sind auf den Plakaten und im Video natürlich nicht zu sehen. Gespielt ist aber nichts, wie David Schärer von der für die Kampagne verantwortlichen Werbeagentur Rod Kommunikation verrät: «Wir gaben den Paaren keine Anweisungen, was sie zu tun hatten und überliessen es ihnen, wie weit sie gehen wollten. Einige gingen schon ziemlich weit.»

So befriedigte sich ein Paar beim Fotoshooting oral, andere machten Heavy Petting. Beim Videodreh, bei dem 20 Minuten dabei war, hörte man Stöhnen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) provoziert mit der ungespielten Leidenschaft bewusst, um die Leute zu erreichen: «Wenn niemand darüber redet, ist es rausgeschmissenes Steuergeld», sagt Roger Staub, stellvertretender Leiter der Sektion übertragbare Krankheiten beim BAG. Zwei Millionen Franken beträgt das Budget für dieses Jahr.

Die Provokation ist bei Aids-Kampagnen inzwischen Programm: Die letzte Kampagne der Aidshilfe schockte mit heftigen Bildern und dem Slogan «Fuck positive». Dass Sex ohne Gummi mit einem HIV-Positiven nur dann okay ist, wenn dieser «therapiert wird und er gut auf die Therapie anspricht», ging dabei fast unter.

Weniger HIV-Neuansteckungen

Die Message der heute lancierten Kampagne ist «Love Life – und bereue nichts». Wer sich an die Safer-Sex-Regeln hält («Eindringen immer mit Gummi», «Sperma und Blut nicht in den Mund», «Bei Juckreiz, Brennen oder Ausfluss zum Arzt»), brauche nach dem Sex kein schlechtes Gewissen zu haben. Es ist eine Mitmach-Kampagne: Das BAG sucht weitere Paare für Fotoshootings. «Wir sind überzeugt, dass Plakate mit echten Menschen stärker wirken als eine Kampagne mit Models», sagt Staub.

Seit 1987 lancieren das BAG und die Aidshilfe regelmässig neue Kampagnen. Die Zahl der HIV-Ansteckungen ist in dieser Zeit deutlich gesunken: Gab es um die 1990er-Jahre noch über 2000 Neuansteckungen pro Jahr, waren es 2013 noch 575. Die heute präsentierten Zahlen sind laut dem BAG erfreulich. Sie würden zeigen, dass der Trend trotz des Ausreissers im letztes Jahr, als 15 Prozent mehr Ansteckungen gezählt wurden, tendenziell weiter abnehme.

Von züchtig zu provokativ

Im Vergleich zu der neusten Kampagne war die erste Plakat-Aktion von 1987 noch richtig züchtig. Auf Plakaten war lediglich in fetten Buchstaben «Stopp Aids» zu lesen – wobei ein Kondom den Buchstaben «O» darstellte. Doch selbst diese Kampagne sorgte für rote Köpfe: Der christlich geprägte Kanton Wallis weigerte sich zuerst, die Plakate aufzuhängen.

Später wurden die Kampagnen frecher. 1996 kam der bekannte Slogan «Ohne Dings kein Bums». 2005 wurde aus der «Stop-Aids»- die «Love Life – Stop Aids»-Kampagne. 2006 gab es nackte Tatsachen: Das BAG zeigte auf grossen Plakate nackte Eishockeyspieler und Fechterinnen und verursachte damit erneut einigen Wirbel.

Jetzt hat die Aids-Kampagne des Bundes ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Wie will das BAG dies das nächste Mal toppen? Mit echten Pornos? «Wir wollen nicht einfach provozieren. Aber wir werden auch in Zukunft Wege finden, um Leute auf HIV-Prävention aufmerksam zu machen», so Staub.

Hier sehen sie das Making-of des neuen Aids-Kampagne-Films

(Video: Roland Schäfli/Lorenz von Meiss)

1996: «Ohne-Dings-Kein-Bums»

Quelle: Youtube/Tom Seinige

2012: «Du kannst es nicht ewig verstecken – sprich über Geschlechtskrankheiten»

Quelle: Youtube/checkyourlovelife

2009: «Ging's zu schnell, um an Gummis zu denken?»

Quelle: Youtube/Maestro Thaivisia

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