Kiffer sollen wieder kriminalisiert werden

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Anzeige statt BusseKiffer sollen wieder kriminalisiert werden

Wer kifft, soll nicht mehr mit einer Busse davonkommen, fordert die SVP. Experten lehnen den Vorschlag ab – und wollen stattdessen die Legalisierung.

P. Michel
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P. Michel
Geht es nach der SVP, kommen Kiffer künftig nicht mehr mit einer Busse davon.

Geht es nach der SVP, kommen Kiffer künftig nicht mehr mit einer Busse davon.

Keystone/Martin Ruetschi

Wen die Polizei beim Kiffen erwischt, den kostet das heute hundert Franken. Bei Erwachsenen, die weniger als zehn Gramm dabei haben, sieht die Polizei von einer Verzeigung ab. So will es das revidierte Betäubungsmittelgesetz, das seit Oktober 2013 in Kraft ist. Doch jetzt bläst die SVP zum Angriff auf die Kiffer: Nationalrätin Andrea Geissbühler will die Ordnungsbussen bereits wieder abschaffen und fordert eine Rückkehr zum alten System, in dem Cannabis-Konsumenten in jedem Fall angezeigt wurden. Für die Debatte in der Rechtskommission des Nationalrats im März hat sie einen entsprechenden Vorstoss eingereicht.

«Die Abkehr von den Verzeigungen hat sich nicht bewährt», sagt Geissbühler. Die Busse habe keine abschreckende Wirkung, und es ist auch ein falsches Signal an die Jugendlichen. Für Sie ist klar, wohin der Weg geht: Jede weitere Änderung Richtung Entkriminalisierung ziele längerfristig auf die Legalisierung ab, das sehe man derzeit an den geplanten Cannabis-Vereinen. «Jetzt gilt es, die Notbremse zu ziehen», sagt Geissbühler.

«Kiffen gehört zur Realität»

Für Sven Schendekehl vom Verein Legalize It! zielt die vollständige Rückkehr zu den Verzeigungen an der Wirklichkeit der Cannabis-Konsumenten vorbei. «Kiffen gehört heute zur Realität Tausender Menschen», sagt er. Dass diese jetzt selbst für kleine Mengen Cannabis wieder stärker kriminalisiert werden sollen, werde niemanden davon abhalten, sich einen Joint anzuzünden.

Laut Sucht Schweiz konsumieren in der Schweiz 210'000 Personen regelmässig Cannabis. Das Ordnungsbussensystem soll den Aufwand der Behörden minimieren und die unterschiedliche Strafpraxis in den Kantonen vereinheitlichen. Heute werden Erwachsene mit Ordnungsbussen bestraft, Jugendliche jedoch weiterhin fürs Kiffen angezeigt. In den meisten Fällen ordnen die Behörden bei Minderjährigen den Besuch eines Suchtkurses an.

Kosten konnten durch Bussen nicht gesenkt werden

Für Geissbühler ist der Anspruch, die Kosten zu senken, gescheitert. Das Gegenteil sei der Fall: «Wenn die Busse nicht gleich vor Ort beglichen wird, muss die Polizei das Cannabis beschlagnahmen, aufbewahren, und die Bezahlung abwarten.» Wird die Rechnung nicht bezahlt, muss trotzdem eine Anzeige eingeleitet werden. Somit entstehen laut Geissbühler ähnlich hohe administrative Aufwände, wie wenn direkt eine Anzeige erfolgen würde.

«Der SVP-Vorstoss ist ganz klar ein Versuch, die Idee der Cannabis-Vereine zu torpedieren», sagt Sandro Cattacin. Er arbeitet zurzeit ein Pilotprojekt aus, um in Vereinen in Schweizer Städten Cannabis legal abzugeben. «Die legale Abgabe in Cannabis-Vereinen wäre nicht mehr umsetzbar, da man zwar Cannabis legal kaufen könnte, aber nicht mehr bei sich tragen und konsumieren dürfte.» Cattacin teilt jedoch Geissbühlers Kritik in einem Punkt: «Die Behörden sind mit der grossen Zahl an Bussen überfordert. Das hat zu einem ungerechten System geführt, weil in einigen Kantonen gebüsst wird, in anderen nicht.» Die Lösung sieht Cattacin hingegen in der kontrollierten Legalisierung des Cannabiskonsums.

Irene Abderhalden, Direktorin von Sucht Schweiz, will an den Ordnungsbussen festhalten, weil man erst genau analysieren müsse, was die Änderung bisher gebracht habe. «Wir müssen Alternativen zur bisherigen repressiven Cannabis-Politik suchen, es braucht neue Wege in der Prävention.» Eine Rückkehr zur Kriminialisierung sei jedoch keine brauchbare Lösung. Während sich Sucht Schweiz für das Ordnungsbussenmodell bei Erwachsenen ausspreche, brauche es bei den Jugendlichen griffige Präventionsmassnahmen, sagt Abderhalden.

Jean Christophe Schwaab (SP), der die Rechtskommision des Nationalrats präsidiert, sagt: «Ein Gesetz nach nicht mal drei Jahren schon wieder zu kippen, ohne die Wirksamkeit geprüft zu haben, ist demokratiepolitischer Unsinn.» Nachdem das Ordnungsbussensystem 2013 mit grosser Mehrheit des Parlaments beschlossen wurde, rechnet Schwaab damit, dass der SVP-Antrag keine Chance haben wird.

Cannabis-Vereine

In Zürich, Basel, Bern und Genf sind Pilotprojekte für sogenannte Cannabis-Vereine geplant. In einer ersten Phase sind die Vereine, bei denen Cannabis gekauft werden kann, als wissenschaftliche Versuche angelegt. Die Abgabe soll auf maximal 12 Gramm pro Woche limitiert werden, und alle Konsumierenden sind beim Verein als Mitglieder registriert. Das Pilotprojekt ist auf 4 Jahre befristet.

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