Illegales GeschäftGauner verkaufen falsche Schweizer Visa im Kosovo
Eine Kosovarin versuchte, mit einem gefälschten Schweizer Visum nach Deutschland einzureisen. Das EDA bestätigt, dass es in Kosovo ein Problem mit illegalen Anbietern gibt.

Die Schweizer Botschaft in Pristina: Hier soll der Bruder auf den Fälscher gestossen sein. (Bild: qll)
Kein AnbieterMit einem Schweizer Visum hat eine 15-jährige Kosovarin am Sonntag versucht, nach Deutschland zu kommen. Bei der Einreisekontrolle am Flughafen München stellte die deutsche Bundespolizei jedoch fest, dass ihr Visum gefälscht war.
Das Mädchen war in Begleitung ihres zehn Jahre älteren Bruders, wie die Bundespolizei mitteilt. Der Bruder gab an, das Dokument sei echt. Er sei Mitte Januar mit seiner Schwester zur Schweizer Botschaft in Pristina gegangen. Diese stellt nicht nur nationale Visa, sondern auch Schengen-Visa aus. Mit einem solchen Visum stehen jedem die Türen im ganzen Schengen-Raum offen.
Beschleunigtes Verfahren
Weiter erklärte der Bruder, bei der Botschaft sei ein Landsmann auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er es eilig habe. Falls ja, könne er ihm ein Visum in einem «beschleunigten Verfahren» besorgen. Dieses koste 1500 Euro. Dafür brauche er lediglich den Pass der betroffenen Person.
Der junge Mann sei wenige Tage später angerufen worden. An einer Tankstelle wurden Pass und Geld ausgetauscht. Der Bruder gab bei der Polizei an, dass er zwar ein mulmiges Gefühl gehabt habe, da aber die Grenzpolizei am Flughafen in Pristina keinen Verdacht geschöpft habe, sei er beruhigt gewesen.
«Alles nur eine Frage des Geldes»
An ein gefälschtes Visum in Kosovo zu kommen, scheint nicht schwer zu sein. 20 Minuten konnte sich mit einem Kosovaren unterhalten, der selber zu illegalen Mitteln greifen musste, um in die Schweiz einreisen zu können. «In Kosovo ist alles möglich, es ist nur eine Frage des Geldes», sagt der 41-Jährige.
Er selber habe für sein gefälschtes polnisches Business-Visum rund 2800 Euro bezahlt. Mit diesem konnte er mit dem Bus nach München, Zürich und Genf reisen.
Doch wie ist es möglich, an ein Schweizer Visum zu kommen? «In Kosovo gibt es verschiedene Wege, ein gefälschtes Visum oder andere Reisedokumente zu erhalten, auch aus der Schweiz», erklärt der Mann. Kaufen könne man auch gefälschte Schweizer Aufenthaltsbewilligungen oder gefälschte Pässe von Schengen-Staaten. Nebst Reisedokumenten würden – wie in seinem Fall – zudem Dokumente gefälscht, die beispielsweise für das Beantragen eines Visums benötigt werden.
«Nicht nur Bevölkerung ist involviert»
Auf die Frage, wer gefälschte Visa organisiert, sagt er: «Vor jeder Botschaft kann man Mittelsmänner treffen, die den Kontakt zu solchen Fälschern herstellen.»
Auch habe jeder Fälscher entweder Kontakte zu den Botschaften oder zu ausländischen Firmen, die einem Dokumente ausstellen. So kommt man eher an ein Business-Visum. Zudem sei nicht nur die lokale Bevölkerung in diesem Geschäft tätig: «Ich habe schon von ausländischen Mitarbeitern gehört, die sich ebenfalls so Geld dazuverdienen.»
Botschaft warnt Kunden
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigt das Problem. «Es ist uns bekannt, dass ausserhalb von Botschaften in Ländern mit hohem Migrationsdruck wie Kosovo durch Dritte illegale Dienstleistungen angeboten werden», sagt Sprecher Pierre-Alain Eltschinger zu 20 Minuten. «Entsprechend warnt unsere Botschaft in Pristina auf ihrer Website die Kunden.»
Auf der Website wird etwa darauf hingewiesen, dass Personen, die vor dem Zaun der Botschaft warten und ihre Dienste anbieten, nicht in Verbindung mit den Mitarbeitern der Schweizer Botschaft stehen würden. Und: Die Schweizer Botschaft kooperiert im Kosovo nicht mit Agenturen.
«Kreativität der Fälscher ist gross»
Zum Verdacht, dass Mitarbeiter der Schweizer Botschaft involviert sein könnten, sagt Eltschinger: «Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die tatsächlich auf eine Implikation eines Botschaftsangestellten schliessen lassen würden. Konkreten Hinweisen würde selbstverständlich nachgegangen.»
Auf die Frage, wie es möglich ist, ein Schweizer Visum zu fälschen, sagt Eltschinger: «Der Einfallsreichtum und die Kreativität von Fälschern ist bekanntlich gross. Man findet von hochqualitativen Fälschungen von Visa-Etiketten bis zu plumpen manuellen Abänderungen von Daten auf echten Visa-Etiketten so ziemlich alles.»
Doch das EDA habe bereits reagiert und eine weitere Hürde geschaffen: «Seit 2014 erfasst die Botschaft in Pristina die biometrischen Daten der Gesuchsteller», so Eltschinger. «Seither erfolgt für sämtliche Inhaber von Schengen-Visa mit biometrischen Daten ein Identifikationsabgleich anlässlich des Grenzübertritts in den Schengenraum.» Missbräuchlich verwendete und verfälschte Schengen-Visa würden auf diese Weise heute zuverlässig entdeckt.
Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe
Gemäss der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl müssen Personen, die mit einem gefälschten Visum einreisen wollen, sich einerseits wegen rechtswidriger Einreise und anderseits wegen Urkundenfälschung verantworten. «Das Strafmass bei der rechtswidrigen Einreise beträgt von bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen», erklärt Markus Fasano. «Bei der Verwendung eines gefälschten Visums muss die Person mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen rechnen.»
2000 gefälschte Dokumente
Das Grenzwachtkorps GWK hat 2015 über 2000 gefälschte Dokumente aufgedeckt. «Nur ein kleiner Teil davon sind aber Visa», erklärt Sprecher Attila Lardori. «Bei den meisten Fälschungen handelt es sich um Aufenthaltsbewilligungen, Pässe, Identitätskarten oder Fahrausweise.» So wurde letztes Jahr in der Schweiz nur ein verfälschtes Schweizer Visum festgestellt und zwar im Bahnverkehr. Dafür aber 39 gefälschte oder verfälschte Dokumente wie ID, Pässe oder Fahrausweise mit Herkunftsland Schweiz.
Doch das sage nichts über die effektive Zahl von gefälschten Schweizer Visa aus. Denn: «Personen weisen sich in der Schweiz eher mit gefälschten Dokumenten oder Visa aus anderen Schengen-Staaten aus als solchen aus der Schweiz», erklärt Lardori. «Das liegt unter anderem daran, dass die betroffenen Personen wohl denken, dass wir die eigenen Dokumente besser kennen und daher Fälschungen leichter erkennen würden.»