KlimapolitikRettet ein Benzinverbot die Gletscher?
Die Gletscher-Initiative will die Klimapolitik auf den Kopf stellen. Die Initianten sagen, wie die Schweiz vom Öl loskommen soll.
Der Rekordsommer hat den Gletschern zugesetzt. Trotzdem hat der Nationalrat kürzlich das neue CO2-Gesetz abgeschmettert. Während Schüler für das Klima streiken, will nun der Verein Klimaschutz rund um den Umweltjournalisten Marcel Hänggi den Druck auf die Politik weiter erhöhen: Am kommenden Samstag verabschiedet die Delegiertenversammlung den Text der Gletscher-Initiative, ab Ende April sollen Unterschriften gesammelt werden.
Das Begehren ist radikal: Bis 2050 soll die Schweiz kein CO2 mehr ausstossen. Fossile Brenn- und Treibstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle sollen grundsätzlich verboten werden. Offen lässt der vorläufige Text der Initiative, wie die Ziele erreicht werden sollen – da die technologische Entwicklung ständig weitergehe, habe man die Initiative bewusst offen formuliert. Gegenüber 20 Minuten sagen die Initianten, was es ihrer Meinung nach braucht, um vom Erdöl loszukommen.
Verbot von Ölheizungen
(Bild: Keystone)
Laut dem Bundesamt für Umwelt entfallen 27 Prozent der CO2-Emissionen in der Schweiz auf Gebäude. Ein Beispiel: Wohnt eine Familie in einer 100 Quadratmeter grossen Altbau-Wohnung, braucht die Ölheizung rund 21 Liter pro Quadratmeter und Jahr. So fallen 5,6 Tonnen CO2 an. «Eine neue Studie zeigt, dass die Klimaziele erreicht werden können, wenn alle Anlagen nach Ablauf ihrer Lebensdauer durch nicht-fossile Anlagen ersetzt werden», sagt Hänggi. Verbote neuer Ölheizungen, wie sie bereits gewisse Städte wie Basel kannten, seien deshalb wünschenswert.
Zu radikal ist die Forderung der Initianten für Haustechnik-Unternehmer und FDP-Nationalrat Peter Schilliger: «Verbote sind nicht meine Welt. Viel wichtiger ist es, die Verhältnismässigkeit zu beachten.» Wettbewerb und Technologie seien die Treiber der Klimapolitik. In Luzern etwa müssen bei einem Ersatz einer alten Heizung mindestens 10 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbarer Energie gespiesen werden. Das sei eine vernünftige Lösung.
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren
(Bild: Keystone)
Rund ein Drittel aller CO2-Emissionen in der Schweiz entfallen auf den Verkehr, wobei der Flugverkehr davon ausgenommen ist. Falls nötig, wollen die Initianten den Verbrennungsmotor verbieten, wie dies etwa in Schweden geplant ist. «Nach Einschätzungen vieler Fachleute werden sich Elektroautos von allein durchsetzen. Ein Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ab einem gewissen Datum wäre aber hilfreich.» Des Weiteren sollten CO2-Lenkungsabgaben, wie sie heute zum Beispiel bereits auf Brennstoffen wie Heizöl erhoben werden, ebenfalls auf Treibstoffe angewendet werden.
Für Schilliger unterschätzen die Initianten die Herausforderung: «Wenn alle Elektroautos fahren, werden wir einen immer grösseren Strombedarf in der Schweiz haben. Um diesen decken zu können, sind wiederum neue Technologien notwendig.» Wegen Problemen mit Rohstoffen gebe es bereits heute Engpässe bei der Lieferung von Batterien für Elektroautos. Das Potenzial der Elektroautos sei gross. Die Nutzung staatlich zu verordnen, aber kostspielig und falsch.
Flugticket-Abgabe und E-Flugzeuge
(Bild: Keystone)
Ein gewichtiger Posten im CO2-Ausstoss der Schweizer ist mit 18 Prozent die Fliegerei. Ein Flug von Zürich nach New York verursacht pro Passagier 1,2 Tonnen CO2. Die Initianten wollen auch hier die Schraube anziehen: «Alternativen wie Nachtzüge müssen gefördert werden. Die Verdrängung durch Billigflüge muss gestoppt werden», so Hänggi. Gleichzeitig hofft er auf technische Innovationen: Synthetischer Treibstoff könne künftig die Emissionen senken. Das sei technisch machbar und die ETH führend. Bei Kurzstrecken gebe es auch die Möglichkeit elektrischer Flugzeuge.
Schilliger dagegen betont, dass die Schweiz sich ins eigene Fleisch schneide, wenn sie das Fliegen massiv verteuere: «Die Einführung einer Ticketabgabe nur in der Schweiz macht keinen Sinn. Die Flüge wandern höchstens ins Ausland ab.» Die Schweizer Wirtschaft sei aber auf gute Verbindungen angewiesen. Die Schweizer würden erst auf Angebote wie Nachtzüge zurückgreifen, sobald deren Leistung auch stimme.
Kein Freihandel mit Palmöl
(Bild: Keystone)
Auch bei der Nahrungsmittelproduktion wollen die Gletscher-Freunde ansetzen: «Nicht nur die Landwirtschaftspolitik in der Schweiz soll klimaschonend gestaltet werden. Die Initiative möchte, dass sich die Schweiz auch im Ausland im Sinne des Klimaschutzes verhält.» Die Schweiz importiere viele Nahrungs- und Futtermittel, die oft auf klimaschädigende Weise angebaut würden. Deshalb sei es wichtig, dass der Klimaschutz auch beispielsweise in Freihandelsabkommen berücksichtigt werde.
Schilliger befürchtet Importverbote und grosse Wettbewerbsnachteile: «Die Schweiz ist klimapolitisch im Vergleich zum Ausland gut aufgestellt. Eine Weiterentwicklung heisse ich gern willkommen, aber nur durch marktwirtschaftliche Instrumente und ohne Verbote.» Mit extremen Massnahmen in der Schweiz rette man die Gletscher nicht: «Das ist Symbolpolitik: Das Ausland muss erst mitziehen.»