Mehr Schäden und Kosten«Fahrer von Leasing-Autos sind unvorsichtiger»
Auf den Strassen fahren so viele geleaste Autos wie nie. Sie sind häufiger in Schadensfälle verwickelt. Kommen nun strengere Regeln?
Knapp 540'000 Leasing-Verträge für Fahrzeuge wurden Ende 2016 gezählt (s. Box). Das ist ein Rekord. Fast jedes zweite Auto, das zum ersten Mal in den Verkehr gesetzt wird, wechselt dank eines Leasing-Vertrags den Besitzer, wie Zahlen des Schweizer Leasingverbands (SLV) zeigen.
Der Boom hat Schattenseiten, denn wer mit einem Leasing-Auto unterwegs ist, verursacht mehr Kosten. «Die Schadenfrequenz ist bei geleasten Fahrzeugen generell höher als bei nicht geleasten», sagt Daniel Graf, Mediensprecher des TCS. «Fahrer von Leasingfahrzeugen gehen wohl etwas unvorsichtiger mit den Autos um. Die Autos gehören nicht ihnen und sind rundum versichert.»
15 Prozent höhere Prämien
Das schlägt sich in den Versicherungsprämien nieder. Der Unterschied variiere je nach Risikoprofil der Kunden zwischen 10 und 15 Prozent, sagt Nathalie Vidal, Sprecherin der Zürich-Versicherung. «Da Verträge mit Leasing eine höhere Schadenbelastung aufweisen, ist die Prämie dem erhöhten Risiko angepasst», sagt auch Kim Allemann von der Mobiliar. Die genauen Gründe kenne sie nicht.
Dass Leasingnehmer unvorsichtiger fahren, höre sie zum ersten Mal, sagt Cornelia Stengel, die stellvertretende Geschäftsführerin des Schweizer Leasingverbands. Die höheren Schadenssummen könnten damit zusammenhängen, dass Leasingnehmer die Fahrzeuge konsequenter reparieren und warten lassen, wie es die Verträge normalerweise vorsehen. Zudem müssen die Autos in aller Regel in einwandfreiem Zustand zurückgegeben werden.
Erfahrung fehlt
Der Verkehrspsychologe Benjamin Graber vom Zürcher Institut für Angewandte Psychologie sieht einen möglichen Zusammenhang darin, dass Leasing jüngeren Menschen die Möglichkeit gibt, teure und leistungsstarke Autos zu fahren. Für diese reichten ihre Erfahrung und Risikoeinschätzung manchmal noch nicht aus.
Insbesondere junge Männer, die sich stark über ihr Auto definierten, seien gefährdet. Sie leasten erfahrungsgemäss eher, weil es ihnen wichtig sei, ein prestigeträchtiges Auto zu besitzen. Häufig wollten sie sich im Strassenverkehr ausleben und unter Beweis stellen, was sich in einem entsprechenden Fahrstil zeige.
Frage des Selbstwerts
Letztlich sei es eine Frage des Selbstwerts, wenn Status oder Männlichkeit mit dem eigenen Auto verbunden würden. Anderen imponieren zu wollen, sei ein wesentlicher Aspekt. Leasing könne die Plattform dazu bieten. Schliesslich sei aber weniger entscheidend, ob ein Auto durch Leasing erworben worden sei oder nicht, sondern wer mit welchen Motiven herumfahre.
Eine Lösung könnte ein Modell sein, bei dem die Zulassung zu höheren Leistungsklassen erst ab einer bestimmten Erfahrung erworben werden darf, sagt Graber. Einerseits würde man damit aber den Anteil der verantwortungsbewussten Lenker bestrafen – und andererseits wäre die praktische Umsetzung schwierig.
«Branche ist Teil des Problems»
Zudem sind 90 Prozent der Leasingverträge von Lenkern im Alter zwischen 25 und 65 Jahren abgeschlossen worden, wie Zahlen des SLV zeigen. Es dürften also nicht nur junge Menschen verantwortlich dafür sein, dass mit geleasten Autos mehr Schadensfälle verzeichnet werden.
Die Auto-Branche sei Teil des Problems, sagt der Verkehrspsychologe Marius Köppel. Sie sichere sich zwar finanziell ab, doch die charakterliche Fahrtauglichkeit der Kunden bleibe ungeprüft. «Das grössere Sicherheitsrisiko geht auf Kosten aller Verkehrsteilnehmer.»
Ende 2016 verzeichnete der Schweizerische Leasingverband (SLV) knapp 540'000 Leasingverträge für PKW. Bei 77 Prozent handelt es sich um private Autos, beim Rest um gewerbliche Verträge. Der Vertragsbestand aller Auto-Leasingverträge lag Ende 2016 bei knapp zehn Milliarden Franken. 15 Prozent aller Fahrzeuge insgesamt sind geleast, bei den Neuzulassungen sind es fast die Hälfte. Die Anzahl der neuen Vertragsabschlüsse stieg letztes Jahr um 2 Prozent, das Volumen um 5,5 Prozent. Der Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass die Verkaufspreise für Autos seit langem wieder angezogen hatten, wie Cornelia Stengel, die stellvertretende Geschäftsführerin des SLV, sagt.