«Parteien sollen arbeiten wie in der Schweiz»

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Wahlen in der Türkei«Parteien sollen arbeiten wie in der Schweiz»

Am Sonntag wählen die Türken zum ersten Mal direkt ihren Präsidenten. Auch der Schweizer Auslandtürke Tunaboylu Kahraman hat seine Stimme abgegeben. Wir haben mit ihm gesprochen.

Florian Meier
von
Florian Meier
Historisch: Zum ersten Mal konnten Auslandtürken an politischen Wahlen in ihrem Heimatland teilnehmen, ohne dabei in die Türkei reisen zu müssen.

Historisch: Zum ersten Mal konnten Auslandtürken an politischen Wahlen in ihrem Heimatland teilnehmen, ohne dabei in die Türkei reisen zu müssen.

Herr Tunaboylu, zum ersten Mal können Auslandtürken von ihrer neuen Heimat aus an politischen Wahlen teilnehmen. Waren Sie schon wählen?

Natürlich. Ich war am letzten Sonntag im Wahllokal in Dietikon und habe meine Stimme abgegeben.

Was bedeutet das für Sie?

Ich bin sehr glücklich. Endlich können wir unsere Bürgerrechte auch von hier aus wahrnehmen. Bis jetzt war das sehr schwierig. Als Auslandtürken mussten wir immer zurück in unser Heimatland reisen, wenn wir unsere Stimme abgeben wollten. Dafür wurden an den Grenzen und den Flughäfen jeweils Urnen aufgestellt. Aber natürlich war es so sehr schwierig für uns, an Wahlen teilzunehmen - auch wenn wir das sehr gerne getan hätten. Ich hatte beispielsweise nie die Möglichkeit, extra für eine Wahl in die Türkei zu reisen.

Auch zum ersten Mal überhaupt wählen die Türken direkt ihren Präsidenten, davor gab es nur Parlamentswahlen. Umso bedeutender muss der nächste Sonntag für Sie sein ?

Natürlich, für uns ist das ein historischer Moment. Bis jetzt konnten wir unseren Präsidenten nur indirekt über das Parlament bestimmen. Nun haben wir die Möglichkeit, selber mitzureden und in einem direktdemokratischen Verfahren zu entscheiden, wer unser neuer Präsident wird. Das ist ein grosser Fortschritt für die Türkei.

In der Schweiz leben rund 130'000 Türken. Wie stark sind die Präsidentschaftswahlen in der türkischen Gemeinschaft hierzulande ein Thema?

Gerade wenn Wahlen anstehen wie jetzt, kommt es immer wieder zu spannenden Diskussionen über die Politik in meinem Heimatland. Jeder hat seine eigene Meinung und das muss auch respektiert werden. Im Grunde wünschen wir uns aber alle, dass die Türkei in Sachen Politik und Gerechtigkeit weiterkommt.

Welche Entwicklungen wünschen Sie sich konkret?

Ich wünsche mir, dass die politische Zusammenarbeit ein wenig so wird, wie sie hier ist. In der Türkei gibt es eine starke Polarisierung und die Parteien zeigen wenig Kompromissbereitschaft. Hier in der Schweiz arbeiten die verschiedenen Parteien eng zusammen und versuchen stets, gemeinsam eine Lösung zu finden. Natürlich gibt es politische Auseinandersetzungen, diese sind auch sinnvoll und nötig. Aber die besten Lösungen werden immer durch eine respektvolle Kooperation erreicht. Ich wünsche mir, dass die Türkei in dieser Hinsicht ein bisschen so wird wie die Schweiz.

Schweizer Parlamentarier vor Ort

Am Sonntag wählt die Türkei erstmals in einer direkten Wahl ihren Präsidenten. Als Wahlbeobachter vor Ort sind auch drei Schweizer Parlamentarier: SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen, Parteikollege Andreas Gross und FDP-Nationalrätin Doris Fiala. «Für die Türken ist es eine historische Wahl, schliesslich ist es das erste Mal, dass sie ihren Präsidenten direkt wählen können», so Kiener Nellen. Noch mag die SP-Nationalrätin für die Wahlen keine Prognose wagen: «Ich habe vor Ort eine sehr polarisierte Gesellschaft angetroffen.» Auf der einen Seite wünschten sich vor allem gut gebildete Türkinnen und Türken und auch viele Junge einen Wechsel. Sie hätten genug vom repressiven System Erdogans. «Auf der anderen Seite stehen konservative Kreise, die ihr Wirtschaftswachstum Erdogan zu verdanken haben und ihm deshalb treu bleiben», so Kiener Nellen. sma

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