Fiese Funiciello-Karikatur löst Shitstorm aus

Aktualisiert

Sexismus-Debatte um «079»Fiese Funiciello-Karikatur löst Shitstorm aus

«Sexistisch», «verharmlosend», «ungeheuerlich»: Eine Karikatur, die Juso-Chefin Tamara Funiciello verunglimpft, sorgt für Empörung.

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Die Karikatur erschien am 18. August in den «Schaffhauser Nachrichten» – unterhalb eines Leitartikels, der das Thema Gewalt gegen Frauen problematisierte.
Auslöser für die Karikatur war die Kritik, die Juso-Präsidentin Tamara Funiciello am Lied «079» von Lo & Leduc geübt hatte. Im Text würde der Mann wiederholt versuchen, an die Handynummer einer Frau zu gelangen, obwohl diese klar Nein sage – ein klassischer Fall von Stalking also.
Der Sexismus-Vorwurf habe ihr viel Kritik eingebracht, sagte Funiciello: «Hauptsächlich auf Facebook bekam ich zu spüren, dass wegen meinen Aussagen alle durchdrehen – vor allem in Bern, meiner und Lo & Leducs Heimatstadt.»
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Die Karikatur erschien am 18. August in den «Schaffhauser Nachrichten» – unterhalb eines Leitartikels, der das Thema Gewalt gegen Frauen problematisierte.

Ausriss «Schaffhauser Nachrichten»

Die umstrittene Karikatur erschien in der Samstagsausgabe der «Schaffhauser Nachrichten»: Darin zeichnet Pascal Coffez ein nicht eben schmeichelhaftes Bild von Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Die Jungpolitikerin ist als hexenhafte, dickliche Gestalt dargestellt, die sich den BH vom Leib gerissen hat.

Offenbar auf der Suche nach Liebe schreit sie Lo & Leduc an: «Meine Nummer lautet 079 *** ** ** (20 Minuten veröffentlicht die Handy-Nummer nicht, Anm. d. Redaktion). (...) Also, warum ruft ihr mich nicht an», heisst es in der Sprechblase. Karikaturist Pascal Coffez spielt damit auf die Aussagen Funiciellos an, der Überhit «079» der beiden Berner sei sexistisch.

«Als hässige, hässliche Emanze dargestellt»

In den sozialen Medien sorgt die Karikatur für Entrüstung. Feministin Anna Rosenwasser, die selbst während zehn Jahren Beiträge für die Zeitung verfasst hat, kündigte kurzerhand ihre Zusammenarbeit mit der Redaktion auf.

In einem Post schreibt sie: «Ja, wir brauchen einen Diskurs, ja, eine Zeitung soll kritisch und satirisch sein, ja ja ja ja, aber nein. Nicht so.» Die Karikatur sei der «lahmste und unoriginellste Versuch, Frauen zum Schweigen zu bringen: Indem ihr sie als hässige, hässliche und aber dann doch mindestens barbusige Emanzen darstellt, wenn sie auf strukturelle Ungerechtigkeiten hinweisen».

«Wie tief kann ein Karikaturist sinken?»

Auch der Frauenstammtisch Schaffhausen solidarisiert sich mit Funiciello. Coffez' Karikatur sei «ungeheuerlich»:«Mit seiner beleidigenden, stereotypen und absolut unoriginellen Karikatur verharmlost er eine wichtige Debatte um Gewalt an Frauen* und darüber, dass ein weibliches ‹Nein!› einfach immer noch nicht als solches anerkannt wird.»

Natascha Wey, Co-Präsidentin der SP Frauen*, schrieb zur Karikatur: «Die einzigen, die komplett den Kompass verloren haben, sind gewisse Medien in diesem Land. Beschämend und erschütternd. Rock on, Tamara Funiciello.» Andere übten Kritik an der Veröffentlichung der Handynummer Funiciellos. Und Journalistin Laura Rivas kommentierte: «Und dann echt allen Ernstes die Nummer hinschreiben als Steilvorlage für Drohungen und Beleidigungen. Wie tief kann ein Karikaturist sinken?»

Zeitung verteidigt Karikatur

Robin Blanck, Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten», verteidigt die Darstellung gegenüber 20 Minuten: «Karikatur darf grundsätzlich alles und muss zuweilen auf das Mittel der Zuspitzung zurückgreifen – dagegen schreiten nur extremistische Kreise ein, wie wir bei ‹Charlie Hebdo›, der ‹Jyllands-Posten› (Mohammed-Karikaturen) und bei den Auftritten von Jan Böhmermann gesehen haben.»

Das Ziel der Karikatur sei zu keinem Zeitpunkt eine Verunglimpfung von Frau Funiciello gewesen: «Sie zielte auf die von Frau Funiciello geäusserte Kritik am Lied ‹079› von Lo & Leduc ab: Es ist eine sehr gefährliche Entwicklung, wenn die Politik beginnt, die künstlerische Freiheit von Kulturschaffenden anzutasten.» Genau dieses Thema habe Karikaturist Coffez ins Zentrum gestellt.

Blanck verweist auch darauf, dass die Karikatur neben einem Leitartikel erschien, in dem die Redaktion unmissverständlich Position gegen Gewalt an Frauen bezogen habe. Die Nummer Funiciellos sei öffentlich, weshalb deren Persönlichkeitsrechte nicht verletzt worden seien. Aber: «Für das Funktionieren der Karikatur war die Nummer aber tatsächlich nicht nötig und man hätte sie auch weglassen können.»

Juso-Chefin richtet sich an ihre Hater

Funiciello selbst veröffentlichte auf Facebook ein Statement: In ihrer 7-minütigen Rede habe sie den Sommerhit in einem halben Nebensatz thematisiert. Der Rest der Rede habe von Gewalt an Frauen und von der strukturellen Diskriminierung gehandelt. «Wegen diesem halben Nebensatz wurde ich beleidigt, bedroht, lächerlich gemacht, angegriffen, angefeindet, karikiert, meine Telefonnummer wurde auf Facebook und in Zeitungen gestellt.»

Zum Schluss schreibt sie trotzig: «Ihr Haters und Patriarchen, ihr könnt versuchen, uns still zu kriegen. Ihr könnt uns jagen und drohen. Wir gehen nicht mehr weg. Wir werden nicht mehr leise sein. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Also fuck off.»

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