Leerläufe der Politiker kosten uns Millionen

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Vorstoss-FlutLeerläufe der Politiker kosten uns Millionen

Unzählige Vorstösse versanden in Bundesbern – auch weil die Räte keine Zeit dafür haben. Nun werden Massnahmen gegen den kostspieligen Leerlauf geprüft.

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Wollen Parlamentarier in Bern Einfluss nehmen, können sie Vorstösse einreichen. So forderte Ruedi Noser (FDP) in der Frühlingssession die Abschaffung der obligatorischen Hundekurse. Oder Balthasar Glättli (Grüne) eine Verschärfung beim Export von Rüstungsgütern. Die Zahl solcher Begehren ist seit 2007 stark angestiegen (siehe Grafik am Textende).

Die Vorstossflut bringt den Parlamentsbetrieb zunehmend an die Grenzen: Viele der Forderungen versanden, ohne dass sich die Räte über das Anliegen beugen könnten. Der Grund: Motionen und Postulate werden automatisch abgeschrieben, wenn sie zwei Jahre hängig sind. Der Guillotine fielen laut der Statistik der Parlamentsdienste in den letzten fünf Jahren 757 Vorstösse zum Opfer. Anfang Jahr waren 843 hängig.

Reimann unzufrieden

Trotzdem muss der Bundesrat alle Vorstösse innert dreier Monaten beantworten. Dies ist nicht ganz billig: Pro Vorstoss fallen laut Schätzungen rund 6100 Franken an. Somit summieren sich die Kosten für die abgeschriebenen Vorstösse seit 2011 auf über 4,5 Millionen Franken.

SVP-Nationalrat Lukas Reimann ist der teure Leerlauf ein Dorn im Auge. Von seinen acht Motionen, die er im Frühjahr 2014 eingereicht hatte, wurden sieben abgeschrieben. Den achten – den vom Nationalrat gutgeheissenen Rückzug des EU-Beitrittsgesuchs – konnte er nur dank einem Ordnungsgesuch retten. «Hinter jedem Vorstoss steckt viel Arbeit und die Hoffnung, dass sich etwas ändert. Wenn alle einfach versanden, wird das Parlament zahnlos.»

Für die Behandlung von Vorstössen sind im Nationalrat pro Session acht Stunden vorgesehen. Für Reimann genügt das nicht: «Statt eine Showdebatte über Volksinitiativen würden lieber mehr Vorstösse behandelt. Zudem könnte man die Diskussion vor der Abstimmung streichen.»

«Vorstösse nur für die Galerie»

Auch FDP-Nationalrat Kurt Fluri kritisiert die Entwicklung. Allerdings müssten sich die Parlamentarier selber an der Nase nehmen, wenn sie die Verwaltung unnötigerweise belasteten: «Viele Vorstösse werden nur für die Galerie eingereicht, damit man sich möglichst im Wahljahr ins Gespräch bringen kann.» Dieses Geld könnte man schlauer einsetzen.

Demnächst wird sich das Ratsbüro mit dem Problem befassen. Laut Nationalratspräsidentin Christa Markwalder ist das Thema ist für die nächste Sitzung traktandiert. «Wir werden die Analyse machen, wie viele Vorstösse der Verjährung zum Opfer gefallen sind.» Sie erinnert aber auch daran, dass eine Abschreibung nicht immer schlecht sei, weil sich Themen überholt hätten.

Keinen Handlungsbedarf sieht Politologe Daniel Kübler. Vorstösse seien eine wichtige Möglichkeit, wie Parlamentarier direkt Einfluss nehmen können. «Es wäre falsch, die Zahl der Vorstösse zu beschränken, da das System für Anliegen offen sein muss.» Die Abschreibungsregel sei dennoch sinnvoll, um den Parlamentsbetrieb zu entlasten. «Wenn ein Anliegen wirklich wichtig ist, kann ein Ordnungsantrag gestellt oder der Vorstoss erneut eingereicht werden.» Letzteres geschieht laut einem Bericht aber nur höchst selten.

Quelle: Parlamentsdienste/Parl.ch

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