«Sie wollten damit im Milieu der Täter stochern»

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Vierfachmord in Rupperswil«Sie wollten damit im Milieu der Täter stochern»

Was bezweckten die Aargauer Behörden mit der Pressekonferenz zum Vierfachmord von Rupperswil? Ein Ex-Kriminalkommissar sieht darin eine bestimmte Taktik.

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Dieses neu veröffentlichte Bild zeigt Carla S. am Tag ihrer Ermordung am Bancomaten der Hypothekarbank Rupperswil.
Bisher hatte die Polizei nur dieses Bild des 48-jährigen Opfers Carla S. veröffentlicht, das sie in der Filiale der Aargauischen Kantonalbank in Wildegg zeigt.
Die gefundenen DNA-Profile erzielten keine Treffer in den Datenbanken: Aargauer Ermittler und Staatsanwälte informierten in Schafisheim AG. (18. Februar 2016)
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Dieses neu veröffentlichte Bild zeigt Carla S. am Tag ihrer Ermordung am Bancomaten der Hypothekarbank Rupperswil.

Screenshot Tele M1

Herr Melzl, was wollten die Behörden mit der Pressekonferenz bewirken?

Zum einen stehen die Strafverfolger unter einem enormen Druck seitens Medien und der Öffentlichkeit: Jeden Tag wird über den Fall spekuliert, jeden Tag gibt es Anfragen dazu. Die Pressekonferenz war wohl auch dazu bestimmt, dass wieder ein bisschen Ruhe einkehrt und der grösste Wissensdurst befriedigt wird.

Und zum anderen?

Viel wichtiger war wohl, die Täterschaft damit ein bisschen aufzurütteln. Vielleicht verplappert sich einer der Täter, oder er prahlt bei Kollegen oder er lässt betrunken eine Andeutung fallen. Die Behörden wollen mit der Belohnung ein bisschen im Milieu, in der sich die Täterschaft bewegt, stochern. Denn bei 100'000 Franken überlegt sich ein Eingeweihter oder unfreiwilliger Mitwisser schon mal, den Kollegen zu verpfeifen.

Aber bei 100'000 Franken gehen auch viele falsche Hinweise ein?

Oh ja. Das hat man bei einem solchen Fall immer. Auch irgendwelche Leute, die mit einem Pendel oder ähnlichen bizarren Methoden den Fall lösen wollen. Aber unter einem Haufen Müll versteckt sich manchmal der richtige Hinweis.

Weiss die Polizei noch viel mehr, als sie preisgibt, oder haben Sie das Gefühl, sie tappt im Dunkeln?

Sicher gibt es da noch einiges, das sie zurückhält. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass die Polizei nicht viel mehr im Köcher hat – sonst würde sie ja bald quasi neben dem Täter stehen.

Die DNA-Spuren und Fingerabdrücke wurden noch nirgends registriert. Ist die Täterschaft also nicht vorbestraft?

Das kann sein, andererseits weiss man auch, dass einige Länder noch im Verzug sind, alle Daten im SIS – im Schengen-Informationssystem – einzugeben. Nun heisst es warten. Es kann sein, dass ein Treffer erst in einigen Monaten oder Jahren auftaucht, in einem völlig anderen Zusammenhang.

Kann man etwas aus den 9850 Franken lesen, die das Opfer Carla Schauer abgehoben hat? Sie hätte mehr abheben können.

Das kann ein taktisches Mittel der Täterschaft gewesen sein. Vielleicht befürchteten sie, dass am Schalter bei einem höheren Betrag Fragen an Carla Schauer gestellt worden wären, bei denen sie sich hätte verplappern können. Aber mehr aus diesem Betrag herauslesen zu wollen, wäre reine Spekulation.

Markus Melzl (64) war Kriminalkommissär und Sprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. 2011 trat er in den Ruhestand.

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