Volksabstimmung84 Prozent sagten 1978 Nein zur Sommerzeit
Wieder einmal wird uns in der Nacht auf Sonntag eine Stunde gestohlen. Was es Wissenswertes über die Sommerzeit gibt, erfahren Sie im Artikel.
1. Seit wann gibt es die Sommerzeit?
Im Mai 1916 führte das Deutsche Kaiserreich als weltweit erster Staat die Sommerzeit ein – wenn auch nur vorübergehend. Zahlreiche Staaten folgten, unter anderem auch die vier Nachbarländer der Schweiz.
Ziel war es, vor dem Hintergrund der Kohleknappheit während des Ersten Weltkrieges Energie zu sparen.
Die Schweiz weigerte sich damals noch, es ihren Nachbarn gleichzutun. Die Umstellung auf die Sommerzeit bringe keine wesentlichen Kohleeinsparungen mit sich, fand der Bundesrat. Zudem sah er Probleme für die Landwirtschaft. So sei es schwierig, das Melken der Kühe und die Milchversorgung anzupassen. Zu berücksichtigen seien schliesslich auch die gesundheitlichen Konsequenzen, die diese Umwälzungen im Lebensrhythmus von Bauern – und auch von Schülern – zur Folge haben würden.
2. Wann wurde die Sommerzeit in der Schweiz eingeführt?
Hierzulande gab es die Sommerzeit erstmals während des Zweiten Weltkrieges. In den Jahren 1941 und 1942 dauerte sie von Anfang Mai bis Anfang Oktober. Ziel war es wiederum, Energie zu sparen. Weil die Einsparungen jedoch zu unbedeutend ausfielen, sah man von der Massnahme im Jahr 1943 wieder ab.
In der Nachkriegszeit schafften mehrere Länder die Sommerzeit vorübergehend wieder ab. So kannte in den 1970er-Jahren nur noch Italien die dauerhafte Sommerzeit. Frankreich führte sie 1976 wieder ein; 1980 folgten Deutschland und Österreich. Die Schweiz passte sich erst 1981 ihren Nachbarn an und führte die Sommerzeit dauerhaft ein.
Der Bund hatte 1977 – in Anlehnung mit Europa – ein Sommerzeit-Gesetz verabschiedet. Dagegen ergriffen die einheimischen Bauern das Referendum: Sie sorgten sich um die Kühe, die im natürlichen Biorhythmus zu melken seien. Sie hatten Erfolg: 83,8 Prozent der Stimmbürger wollen keine Sommerzeit. 1981 wurde sie aber dennoch eingeführt, weil mittlerweile alle Nachbarländer eine Sommerzeit hatten. 1982 lancierte ein der damals noch junge Christoph Blocher eine neue Initiative zur Abschaffung der Sommerzeit. Er sah schon damals «den Volkswillen mit Füssen getreten». Doch diese Initiative kam wegen zu wenig Unterschriften nie zustande.
3. Beeinträchtigt die Zeitumstellung die Gesundheit?
Immer wieder ist zu hören, dass besonders Kleinkindern, Frauen und Menschen im mittleren Alter der Wechsel zu schaffen macht. Bei Kindern kann es sogar bis zu vier Wochen dauern, bis sie den richtigen Rhythmus wieder gefunden haben.
Tatsächlich sind die Auswirkungen Experten zufolge nicht zu verharmlosen. So greife die Zeitumstellung in den normalen Schlaf-Wach-Rhythmus ein und trage damit zur «Schlafkrise der Gesellschaft bei», sagte Jens Acker, Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach, gegenüber der «Zeit». Die Umstellung auf die Sommerzeit sei eine zusätzliche Belastung im durchgetakteten Alltag, in dem viele Menschen ohnehin zu wenig schlafen würden.
«Die Sommeruhrenumstellung wirft uns teilweise drei bis vier Wochen zurück», kritisiert auch der Chronobiologe Till Roenneberg in derselben Zeitung. Sie störe den Körper bei der Anpassung der inneren Uhr an den früheren Sonnenaufgang. Um sich an die Sommerzeit zu gewöhnen, rät Roenneberg, nachts kein Licht anzulassen und tagsüber möglichst viel Licht von draussen aufzunehmen.
4. Soll die Sommerzeit abgeschafft werden?
In der Schweizer Bevölkerung scheint sich die Begeisterung über die Sommerzeit in Grenzen zu halten. Eine Umfrage des News-Portals «Bluewin» im Herbst 2014 ergab, dass 40 Prozent der 6000 befragten Personen die Winterzeit am liebsten behalten würden. 34 Prozent sprachen sich für eine ständige Sommerzeit aus, und nur gerade 13 Prozent fanden die Zeitumstellung sinnvoll. Der Rest war für eine Abschaffung der Zeitumstellung, sofern die Nachbarländer mitziehen.
5. Lässt sich durch die Sommerzeit Energie einsparen?
Nein. Eine 1999 von der Europäischen Kommission durchgeführte Untersuchung förderte eine Energie-Einsparung von gerade mal 0 bis 0,5 Prozent zu Tage. Eine weitere Studie aus Kalifornien aus dem Jahr 2001 konnte ebenfalls nur eine sehr geringe Einsparung feststellen.
Noch vernichtender ist eine Studie von 2008: Im US-Bundesstaat Indiana wurde über drei Jahre lang der Stromverbrauch von mehr als sieben Millionen privaten Haushalten ausgewertet. Fazit: Während der Sommerzeit stieg der Energieverbrauch durchschnittlich um 1 Prozent an, in einzelnen Monaten sogar bis 4 Prozent.
Trotzdem sprechen sich die Forscher dieser Studie nicht für eine Abschaffung der Sommerzeit aus. Vorteile wie zum Beispiel «mehr Tageslicht nach der Arbeit für Freizeitvergnügen» seien schliesslich auch nicht zu verachten.
6. Wenn mittlerweile erwiesen ist, dass die Zeitumstellung im Hinblick auf das Eneregiesparen nichts bringt: Warum wurde sie nicht längst abgeschafft?
«Aus rein bürokratischen Gründen», sagte der Schlafforscher Jürgen Zulley im Interview mit dem Radiosender Bayern 2. Die Sommerzeit europaweit wieder abzuschaffen, sei schlicht ein zu grosser Aufwand. «So lässt man es eben dabei bleiben.»
Der Bundesrat machte zudem geltend, dass für die Schweiz eine Abschaffung der Sommerzeit im Alleingang nicht in Frage komme. Andernfalls würde die Schweiz «unweigerlich wieder zu einer Zeitinsel», wie die Regierung in ihrer Stellungnahme zur Motion von Yvette Estermann schrieb. Eine abweichende Zeitregelung brächte «für die Wirtschaft erhebliche, kostenintensive Nachteile mit sich».