Aarburgs Volksseele kocht

Aktualisiert

Städtchen in AufruhrAarburgs Volksseele kocht

Der Kanton will 90 zusätzliche Asylbewerber in Aarburg unterbringen. Das ist derzeit das bestimmende Thema in der Aargauer Gemeinde. Bürgerinnen und Bürger beziehen Stellung.

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Iréne Gerber weiss schon, was man von ihr wissen will, bevor man überhaupt Grüezi sagen kann. Seit 40 Jahren führt die Coiffeuse aus Wolfwil mitten im Aarburger Städtli ihren Damensalon. Und heute gab es im Coiffeurstuhl genau ein einziges Thema, das alle Kundinnen beschäftigte: Die 90 zusätzlichen Asylbewerber, die der Kanton in einem Wohnquartier an der Lindengutstrasse unterbringen will.

«Meine Kundinnen regen sich auf», erzählt Gerber. Sorgen mache sie sich zwar keine. «Und Angst habe ich auch nicht», fügt sie an. «Aber es sind schon sehr viele Ausländer hier.»

Die Wut ist gross

Das Städtchen hat einen Ausländeranteil von über 40 Prozent. Viele Bewohner können nicht verstehen, warum der Kanton ausgerechnet in Aarburg zusätzliche 90 Asylbewerber ansiedeln will. «Ich habe mich aufgeregt», sagt Beat Rüdin. «Wir sind Spitzenklasse – im Asylwesen und was die Sozialfälle betrifft.» Er schüttelt den Kopf: «Diese Leute bekommen teure Wohnungen. Dabei gäbe es doch billige Unterkünfte vom Militär oder vom Zivilschutz.»

Oskar Schwaller, ebenfalls wohnhaft in Aarburg, sieht das genau gleich: «Das ist eine Katastrophe». Er meint: «Aarburg ist schon überbevölkert». Als er von den zusätzlichen Asylbewerbern erfahren habe, habe er sich gar kurz überlegt, gleich aus der Gemeinde wegzuziehen.

«Besser verteilen»

Die meisten Menschen in Aarburg hätten kein grundsätzliches Problem mit Ausländern oder mit Asylsuchenden. Das betonen fast alle Befragten. Aber dass die 90 Asylbewerber ausgerechnet hierher geschickt werden, wo doch der Ausländeranteil in den anderen Gemeinden geringer und die Anzahl Asylbewerber kleiner sei – das können viele nicht verstehen.

«Ich habe gar keine Angst, und ich mache mir auch grundsätzlich keine Sorgen wegen der neuen Asylbewerber», sagt etwa Bruno Dragone. «Aber man muss sie besser verteilen im Kanton. Das hilft der Integration.» Das findet auch Paul Stehrenberger aus Oftringen: «Nichts gegen Asylsuchende, aber die Verteilung im Kanton müsste besser sein.»

«Es gibt keine grossen Probleme»

Längst nicht bei allen Einwohnern sind die Sorgen gleich gross. «Sorgen mache ich mir keine, ich komme gut damit klar», sagt etwa Stefan Stegmüller.

Auch Katharina Schmid sagt: «Ich sehe keine grossen Probleme.» Sie habe schon an ihrem früheren Wohnort in Safenwil AG viel Kontakt mit Ausländern gehabt und bisher nur gute Erfahrungen gemacht. «Das sind für mich ganz normale Menschen.»

Er grilliert gegen die Asylbewerber

Unternehmer und Liegenschaftsbesitzer Felix Grendelmeier hat sein Geschäft in unmittelbarer Nähe der neuen Asyl-Unterkunft in Aarburg. Er bezeichnet sich selbst als «Oppositionsführer wider Willen» – und hat im Internet zum Protestgrillieren gegen die Asylbewerber aufgerufen. Die Aktion soll heute Abend vor der Liegenschaft stattfinden.

Grendelmeier erklärt seine Motivation: «Wir sind eine finanzschwache Gemeinde mit hohem Ausländeranteil – wegen diesen zusätzlichen Asylbewerbern könnten wir pleite gehen.» Er betont: «Ich habe überhaupt nichts gegen Ausländer, lebe gerne in diesem durchmischten Quartier. Aber der Kanton zeigt keinerlei Fairness bei der Verteilung, meine Liegenschaft wird massiv an Wert verlieren, und der Staat richtet finanziellen Schaden an, ohne Kompensation – das kann ich nicht akzeptieren.»

Es gehe ihm nicht darum, eine «Demo oder Randale» zu machen. «Es soll ganz ruhig geredet werden, bei Wurst und Bier.» Denkt er denn, dass seine Protestaktion Erfolg haben kann? «Ich weiss es nicht. Aber ich will mir nachher nicht vorwerfen müssen, ich hätte nicht alles versucht.»

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