GhostingJunge tauchen ab, statt richtig Schluss zu machen
Plötzlich meldet sich der Liebste nicht mehr. Ghosting nennt sich die Art, mit der junge Menschen zunehmend Schluss machen.

Schreibt der Schwarm nicht zurück, hat er wahrscheinlich stillschweigend Schluss gemacht.
Keystone/Martin RuetschiWie ein Geist verschwand Charlize Theron aus dem Leben ihres Partners. Angeblich konnte Sean Penn sie noch so oft versuchen anzurufen und ihr Nachrichten schreiben: Aufseiten Therons herrschte Funkstille. «Ghosting» nennt sich die Art von Abfuhr. Eine gemeinsame Studie des britischen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Yougov und der «Huffington Post» ergab, dass von 1000 befragten Amerikanern jeder Zehnte schon einmal jemanden «geghostet» hat, um sie oder ihn loszuwerden.
Auch Schweizer Paartherapeuten beraten zunehmend junge Ghosting-Opfer. Etwa Rainer Grunert. «Es kommt sogar vor, dass nach einem halben Jahr Beziehung jemand plötzlich nicht mehr erreichbar ist, dem ehemaligen Schwarm aber täglich in der Uni über den Weg läuft», erzählt Grunert.
«Konfliktscheu, bequem und gefühlskalt»
Doch warum scheuen sich viele Leute davor, eine Beziehung von Angesicht zu Angesicht zu beenden? Dem Ex-Schwarm ins Gesicht zu sagen, dass Schluss ist? Die Luzerner Sexual- und Psychotherapeutin Ines Schweizer macht Online-Partnerbörsen und Dating-Apps für das Ghosting mitverantwortlich. «Sie implizieren eine Unverbindlichkeit und Beliebigkeit, weil dem Nutzer ja noch so viele andere Dating-Möglichkeiten offen stehen», stellt Schweizer fest. Und: «Viele junge Menschen scheuen den Konflikt und sind bequem. Indem sie einfach abtauchen, können sie diese unangenehme Situation umgehen und riskieren keinen Gesichtsverlust.»
Paartherapeut Grunert hält Ghoster für narzisstisch veranlagt: «Diese Menschen sind Meister im Verführen, aber haben eine riesige Angst vor Nähe.» Die abrupten Kontaktabbrüche begründet Grunert mit zunehmend beziehungsscheuen Menschen. «Das Materielle bedeutet mehr als das Zwischenmenschliche», sagt er.
«Lieber abtauchen als Schwäche zeigen»
Die jungen Frauen und Männer seien oft mit sich selbst nicht im Reinen. «Sie wollen in der Beziehung ständig etwas darstellen und beweisen, wie toll sie sind.» Werde eine Beziehung enger, kämen Ängste auf. «Denn irgendwann will der Partner hinter die Fassade schauen und würde die Schwächen entdecken», sagt Grunert. Dann komme der Punkt, wo gewisse Personen einfach abtauchten.
Paartherapeut Friedemann Haag macht darauf aufmerksam, dass die Kontaktstopps für gewöhnlich nicht aus heiterem Himmel kommen. «Die Person hat schon länger gemerkt, dass die Gefühle nicht mehr dieselben sind. Aber sie getraut sich aus Scham oder Schuldgefühlen nicht, es dem Gegenüber zu gestehen», sagt Haag.
Ghosting-Opfer können laut Therapeutin Ines Schweizer in eine tiefe Krise geraten. «Sie hinterfragen sich, sind verzweifelt und verunsichert», sagt sie. Auch das Vertrauen in andere künftige Partner sei erschüttert. Misstrauen mache sich breit. Deshalb findet Schweizer: «Mindestens mit einem SMS soll man erklären, dass man nicht mehr dieselben Gefühle hat.»
Wurden Sie schon einmal «geghostet»? Dann schreiben Sie uns unter: feedback@20minuten.ch