Schweizer GefängnisseAlle zweieinhalb Wochen bricht ein Häftling aus
Hinter Gittern entwickeln einige Häftlinge erstaunlichen Einfallsreichtum, um die Mauern um sie herum zu überwinden.
Über 6800 Häftlinge sitzen derzeit in der Schweiz hinter Gittern. Die meisten im Strafvollzug, ein Teil in U-Haft, andere in Ausschaffungshaft. Doch einigen dauert die Zeit bis zu ihrer Entlassung zu lang: Sie brechen aus. Zwischen 2010 und 2014 brachen pro Jahr im Schnitt 21,6 Häftlinge aus. Weitere sechs Häftlinge entweichen jedes Jahr während eines Transports.
Allerdings geht die Zahl der Ausbrüche laufend zurück. Waren es in den Jahren 2010 und 2011 noch 34, bzw. 33 Ausbrüche gewesen, sank die Zahl im Jahr 2014 auf lediglich 21. Auch bei den Entweichungen bei den Überführungen gingen die Fälle zurück: 2010 zählte das Bundesamt für Statistik noch insgesamt 10 Fälle, 2014 nur noch deren 3.
Dennoch gelang zwei Rumänen in der Nacht auf Mittwoch die spektakuläre – und gefährliche – Flucht aus dem Bezirksgefängnis Baden: Mit zusammengeknoteten Leintüchern seilten sie sich vom Dach in 18 Metern Höhe ab. Nicht zum ersten Mal in diesem Gefängnis: Bereits 2011 schafften es so drei Häftlinge vom Dach in die Freiheit. Einer von ihnen wurde zwei Monate später in München gefasst.
Hilfe von aussen
Der wohl einfachste Ausbruch eines Häftlings geschah in diesem Jahr in der Nacht auf den 9. Februar: Gefängniswärterin Angela Magdici öffnete die Zelle von Hassan Kiko und gemeinsam spazierten sie aus dem Gefängnis. Knapp zwei Monate später wurden sie in Italien gefasst.
Bei den meisten Ausbrüchen gehts nur mit roher Gewalt wie im Gefängnis Waaghof in Basel im Jahr 2012. Durch ein 45 Zentimeter grosses Loch in der Mauer der Waschküche gelangen drei Häftlinge in einen Leitungsschacht, der an der Gefängnisaussenmauer entlang verläuft.
Gipsdecke durchschlagen
Das Trio arbeitete sich durch die Aussenmauer, bis es im Nachbarhaus in eine Zwischenebene vorstiess. Dort durchschlugen die drei die Gipsdecke der Wohnung und gelangten schliesslich in die Freiheit. Alle wurden später gefasst. Im gleichen Jahr durchsägte ein Mazedonier die Gitterstäbe und flüchtete aus dem Regionalen Untersuchungsgefängnis in Kreuzlingen TG.
2009 verblüffte ein 21-jähriger Häftling mit einer spektakulären Aktion die Behörden in Schaffhausen. Mit einem harten Gegenstand schlug er ein 25 Zentimeter hohes und 36 Zentimeter breites Loch in die 60 Zentimeter dicke Mauer. Die grösseren Gesteinsbrocken zog er in die Zelle – so dass nur wenige Steine aussen herunterfielen. Dann schlängelte er sich durch die Öffnung in die Freiheit.
In der Westschweiz gab es in der Strafanstalt La Croisée einen aufsehenerregenden Fall, als gleich sechs Häftlingen die Flucht gelang. Sie hatten die verriegelten Türen mit selbstgebasteltem Handwerkzeug aus Löffeln und Messern geöffnet. Die Kameras in den Gängen hatten sie abgedeckt.
Bluttat nach Flucht
In jüngster Zeit gab es zwei weitere Entweichungen, die für Schlagzeilen sorgten. So floh Kris V. (22), der Mörder der 17-jährigen Vietnamesin Boi aus der Klinik Königsfelden in Windisch AG. Er hatte mit einer Zange das Balkongitter durchschnitten. Er wurde später im deutschen Asperg gefasst.
Und der 23-jährige Tobias Kuster, der in der Strafanstalt Pöschwies eine mehrjährige Freiheitsstrafe absitzt, war am 23. Juni nicht aus einem unbegleiteten Hafturlaub zurückgekehrt. Eine Woche später wurde im Zürcher Seefeld ein 43-jähriger Schweizer getötet. Laut Spuren war Kuster am Tatort und wird nun als dringend Tatverdächtiger gesucht. Für Hinweise, die zur Ergreifung des 23-Jährigen führen, wurde eine Belohnung von 10'000 Franken ausgesetzt.