100 Fälle im Jahr 2017«Linksextreme Gewalt wurde bisher verharmlost»
Laut einer neuen Studie sprechen sich über zwei Drittel der Schweizer für mehr Härte gegen Linksextremisten aus. Ein Aussteiger hält das für kontraproduktiv.
Im Dezember 2017 beschädigen Linksautonome ein Polizeiauto vor der Reitschule mit Flaschen und einer Leuchtrakete massiv. «Wir sehen unsere Aktion als Kommunikationsweg, um deutlich zu machen, dass die Polizei im Perimeter Reitschule nichts zu suchen hat», begründen die Autonomen ihre Attacke.
Oder im November 2017 in Basel: Zehn Personen stürmen eine Wohnung, fesseln und knebeln eine russische Familie. Der Grund: Die Autonomen, die den russischen Dissidenten Unterschlupf gewährten, wollten sie wieder loswerden.
Linksextreme können kaum mehr mobilisieren
Dies sind zwei von rund hundert gewaltsamen Vorfällen durch die linksextreme Szene, die der Nachrichtendienst des Bundes letztes Jahr registriert hat. Dagegen wurde nur eine rechtsextreme Gewalttat gezählt. Die erhöhte Präsenz linker Gewalt schlägt sich auch in der öffentlichen Meinung nieder: Laut der neuen Studie «Sicherheit 2018» stimmen 68 Prozent der Befragten der Aussage zu, linksextrem motivierte Gewalt müsse stärker bekämpft werden. Damit erreicht die Forderung einen neuen Höchstwert.
«Den gewalttätigen linksextremistischen Gruppierungen gelingt es nicht mehr, in grösserem Umfang zu mobilisieren», schreibt Vinzent Joris, Leiter Fachstelle Extremismus der Armee in einem Aufsatz für den Städteverband. Sie versuchten daher, aktuelle Ereignisse zu instrumentalisieren, um eine Mobilisierung über die eigene Basis hinaus zu erreichen.
«Linksextreme Gewalt wurde verharmlost»
«Der Linksextremismus ist im Moment in der Schweiz viel aktiver als der Rechtsextremismus», erklärt Tibor Szvircsev Tresch, Militärsoziologe an der Militärakademie der ETH Zürich. Der Rechtsextremismus agiere mehr im Versteckten. «Auch der Nachrichtendienst des Bundes weist in seinem neusten Bericht darauf hin, dass linksextreme Aktivitäten häufiger sind. Wir gehen davon aus, dass die Bevölkerung dies durch die mediale Berichterstattung auch so wahrgenommen hat.»
Der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann sagt: «Linksextreme Gewalt wurde bisher – vor allem von den Medien und den linken Parteien – völlig verharmlost.» Da nun die Sachbeschädigungen und Körperverletzungen von Linksautonomen zunähmen, erkenne die Bevölkerung , dass etwas unternommen werden müsse. Wobmann will Grenzen setzen: «Es darf keine Narrenfreiheit für Linksextreme geben. Die bestehenden Gesetz müssen endlich rigoros angewandt werden. Wenn ein Vermummungsverbot gilt, muss man den Linksautonomen die Lumpen vom Gesicht nehmen»
Aussteiger hält Repression für nicht zielführend
Repression sei kontraproduktiv, sagt Adrian Oertli, der früher selbst in der linksextremen Szene aktiv war. «Bei harten Strafen stilisieren sich die Linksextremen nur noch mehr zu Opfern von Staatsgewalt.» Linksextreme Organisationen würden mit diesem Bild Mitglieder rekrutieren. «Ihre Anhänger hetzen sie dann gegen den Staat auf, dem sie einen totalitären Charakter unterstellen.»
Statt Repression schlägt Oertli den Dialog vor: «Kontaktpersonen, wie bei Fussballfan-Gruppierungen, müssen auf die Leute zugehen und so eine Beziehung herstellen.» Zudem sei Präventionsarbeit wichtig: «Linksextreme Gruppen sind ähnlich manipulativ wie Sekten.»