Asylbewerber tauchen ab – Behörden machtlos

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«Unkontrollierte Ausreisen»Asylbewerber tauchen ab – Behörden machtlos

Ihr Asylgesuch wurde abgelehnt, trotzdem reisen sie nicht aus: Die Zahl der abgetauchten Personen ist seit Jahren hoch.

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Nicht jeder, der einen negativen Asylentscheid erhält, verlässt die Schweiz wieder.

Nicht jeder, der einen negativen Asylentscheid erhält, verlässt die Schweiz wieder.

Keystone/Sigi Tischler

5347 Personen, welche die Schweiz vergangenes Jahr hätten verlassen müssen, sind spurlos verschwunden. Es handelt sich um Asylbewerber, die weggewiesen wurden – die Schweiz aber weder wie vorgesehen verlassen haben noch von den Behörden ausgeschafft wurden. Das Staatssekretariat für Migration führt diese Fälle in der Asylstatistik als «unkontrollierte Abreisen» auf. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, sind letztes Jahr fast vier von zehn weggewiesenen Asylsuchenden auf diese Art abgetaucht. Ob sie sich in der Schweiz oder im Ausland befinden, ist den Behörden nicht bekannt.

Die Zahl der abgetauchten Asylsuchenden ist in den letzten Jahren anhaltend hoch geblieben. Am häufigsten sind letztes Jahr Personen aus Gambia, Nigeria, Eritrea, Algerien und Marokko abgetaucht. Wohin diese Personen gehen, weiss auch Stefan Frey von der Flüchtlingshilfe nicht: «Naheliegend ist, dass sie bei Verwandten oder Bekannten unterkommen.» Frey beobachtet die steigende Zahl der Fälle mit Sorge. «Diese Leute haben keine Papiere, kein Geld und keine Arbeitserlaubnis – das Risiko, dass sie trotz Anrecht auf Nothilfe kriminellen Organisationen in die Fänge laufen und delinquent werden, steigt damit drastisch.» Diese Situation sei weder im Interesse des Steuerzahlers noch der Betroffenen.

Gegenmassnahmen fehlen

Dies sehen auch Politiker so. Allerdings gibt es kaum griffige Gegenmassnahmen. Die Kantone sind dafür zuständig, dass Weggewiesene die Schweiz auch wirklich verlassen. Sie organisieren mithilfe des Bundes die Reise und das Flugticket für die Betroffenen – diese treten die Reise allein an. Weigert sich jemand, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren, kann er zwar unter Zwangsmassnahmen ausgeschafft werden.

Stark renitente Personen können gar gefesselt und von Polizisten begleitet werden. Allerdings kann es sein, dass die Betroffenen direkt nach Erhalt des negativen Asylentscheids untertauchen – oder dass sie das Ticket in ihrer Tasche einfach verfallen lassen und nie am Flughafen auftauchen.

Zu wenig Haftplätze

FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Vizepräsident der Staatspolitischen Kommission, sagt: «Klar ist die Situation unbefriedigend – aber wenn jemand wirklich untertauchen will, dann schafft er es in der Regel auch.» Jede weggewiesene Person in Ausschaffungshaft zu setzen, wäre mit einem riesigen finanziellen und administrativen Aufwand verbunden. «Dafür stünden auch gar nicht genug Haftplätze zur Verfügung», bestätigt Gaby Szöllösy vom Staatssekretariat für Migration.

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel fordert, die Behörden müssten ihre Anstrengungen anderweitig intensivieren. So müsse etwa sichergestellt werden, dass untergetauchte Personen identifiziert werden, falls sie noch Nothilfe beziehen. Zudem müsse rigoros durchgegriffen werden, wenn eine abgetauchte Person aufgegriffen wird: «Dann führt definitiv kein Weg mehr an einer Zwangsausschaffung vorbei.»

Einen anderen Vorschlag hat Stefan Frey von der Flüchtlingshilfe: Er würde den Status der vorläufigen Aufnahme in einen Schutzstatus umwandeln, «der es auch abgewiesenen Asylsuchenden erlaubt, zeitlich begrenzt und beschäftigt in der Schweiz zu bleiben, bis sie in ihre Heimat zurückkehren können».

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