Platzproblem im OfenAuch die Toten werden immer dicker
Weil immer mehr Schweizer übergewichtig sind, müssen die Krematorien aufrüsten. Bern hat bereits seit zwei Jahren einen Jumbo-Ofen. Nun ziehen andere Krematorien nach.

Kremation ist die beliebteste Bestattungsart in der Schweiz. Eine knappe Stunde dauert die Einäscherung eines normalgewichtigen, knapp zwei Stunden jene eines fettleibigen Verstorbenen.
Jeder zweite Schweizer ist gemäss BAG-Studie zu dick. Tendenz steigend. Die Folgen dieser Entwicklung reichen weit: Für Krematorien sind übergewichtige Verstorbene ein ernstes Problem.
Im Krematorium St.Gallen darf kein Leichnam, der schwerer ist als 130 Kilo, verbrannt werden. Eine Mitarbeiterin sagt: «Wir müssen immer wieder Einäscherungsanträge ablehnen». Übergewichtig Verstorbene werden in das Berner Krematorium geschickt. Dort steht der einzige Ofen in der Schweiz, der überdimensionale Särge fassen kann.
Christian Gasser, Geschäftsführer der Berner Genossenschaft für Feuerbestattung bestätigt: «Wir spüren deutlich, dass die Menschen immer grösser und dicker werden. Dieses Problem nimmt hier konkrete Formen an.» Deshalb hat das Berner Krematorium vor zwei Jahren einen der zwei vorhandenen Öfen durch einen grösseren ersetzt. Aber auch dieser XXL-Ofen reicht nicht immer. «Wir mussten einen 300 Kilo schweren Toten aus dem Kanton Freiburg zurückweisen», so Gasser.
Krematorien rüsten auf
Eliane Glauser vom Berner Krematorium bestätigt das Bedürfnis nach einem Jumbo-Ofen in der Schweiz. Nicht zuletzt auch, weil viel weniger Erdbestattungen gemacht werden. Die fettleibigen Verstorbenen seien bislang einfach vergraben worden. Im Moment reiche der Ofen in Bern, so Glauser. Wenn aber die Fettleibigkeit weiter zunehme, werde diese Tendenz zum Problem für Krematorien.
Auch Basel rüstet auf: Zurzeit ist ein neues Krematorium in Planung, das mindestens einen grösseren Ofen für übergewichtige Verstorbene haben wird. Marc Lüthi, Leiter des Bestattungswesens des Krematoriums, bezeichnet die Tendenz als problematisch: «Die Leichen sind nicht nur schwerer, sondern auch breiter. Teilweise hätte man einen Körper auf der Schulter in den Sarg legen müssen. Das macht man aber aus Pietätsgründen nicht».
Das bringt die Hinterbliebenen in Konflikte. Beni Meister, Leiter Betrieb Krematorium Basel: «Der übergewichtige Tote hätte nach Bern transportiert werden sollen, da die Familie unbedingt eine Kremation gewünscht hatte». Die Transport- und Kremationskosten des Berner Krematoriums waren der Familie aber dann doch zu teuer. «Zähneknirschend haben sie einer Erdbestattung zugestimmt».
Bestatter versuchen zu mogeln
Es gebe immer wieder solche, die versuchen, einen übergewichtigen Toten in einem normalen Ofen kremieren zu lassen. Meister erzählt von zwei Bestattern, die eine zu grosse Leiche gebracht haben. 48 Stunden später hätte die Trauerfeier stattfinden sollen. «Die haben es einfach versucht. Dabei hätte alles schnell gehen müssen.» Wenigstens lenkten die Bestatter sofort ein, als Meister sich weigerte und brachten den Sarg nach Olten. Die Trauerfeier konnte wie geplant stattfinden.
Ausnahmen können sie keine machen, so Meister. Eine grössere Leiche brennt fast doppelt so lange, dadurch kann die Anlage Schaden nehmen. Ausserdem kann eine Art Schwellbrand entstehen. Wenn im Ofen zu wenig Luft ist, brennt der Sarg nicht richtig. Das bedeutet eine enorme Abnützung.
Etwa alle zwei Monate erlebt Meister, dass er kurz vor der Kremierung den Verstorbenen ablehnen muss. Immer häufiger aber werde er nach der Gewichtsbeschränkung gefragt. «Der Trend ist spürbar», so Meister.