Diese Täter werden nicht lebenslang verwahrt

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Bundesgerichts-EntscheideDiese Täter werden nicht lebenslang verwahrt

Claude Dubois ist nicht der erste Schweizer Straftäter, der gegen die lebenslange Verwahrung Rekurs einlegt – und vom Bundesgericht recht bekommt.

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Markus WengerDie Tat:Wenger gilt als einer der gefährlichsten Triebtäter der Schweiz: Zwischen 1983 und 1990 hatte er insgesamt 21 Frauen vergewaltigt. Im Oktober 2011 und im Februar 2012 sedierte er in seiner Wohnung in Basel zwei Frauen mit chemischen Substanzen und nötigte sie sexuell.Die Strafe: Wenger wurde 2013 vom Basler Strafgericht zu viereinhalb Jahren Gefängnis und einer lebenslangen Verwahrung verurteilt. Er legte Beschwerde ein. 2015 hob das Bundesgericht die lebenslange Verwahrung auf. Begründung:Für die lebenslängliche Verwahrung müsse der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität des Opfers «besonders schwer» beeinträchtigt oder wenigstens die Absicht gehabt haben, dies zu tun. Diese Bedingung sei bei Wenger nicht erfüllt.
Claude DuboisDie Tat: Der Schweizer zog am 13. Mai 2013 Marie (19) in Payerne VD in ein Auto und entführte sie. Er erwürgte sie in einem Wald. Dubois hatte bereits 1998 seine Ex-Freundin vergewaltigt und danach erschossen. Er wurde deshalb zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Als er Marie umbrachte, verbüsste er eine Reststrafe in Hausarrest.Die Strafe: Das Bezirksgericht Broye verurteilte Dubois zur Höchststrafe: Lebenslängliche Freiheitsstrafe und lebenslange Verwahrung. Er zog das Urteil weiter. Das Kantonsgericht Waadt bestätigte 2017 die lebenslängliche Verwahrung. Am 26. Februar 2018 hob das Bundesgericht die lebenslängliche Verwahrung auf.Begründung:Das Kantonsgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass beide Gutachter den Verurteilten für dauerhaft untherapierbar hielten. Einer der Gutachter habe dies jedoch nicht ausdrücklich festgestellt.
Daniel H.Die Tat: Der arbeitslose Koch Daniel H. ermordete am 4. März 2009 das Au-pair Lucie Trezzini (16) in seiner Wohnung in Rieden bei Baden AG. Er schlug sie mehrmals mit einer Hantelstange, zertrümmerte ihren Kopf und schnitt ihr die Kehle durch.Die Strafe: Das Bezirksgericht Baden verurteilte Daniel H. wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und einer ordentlichen Verwahrung. 2012 verschärfte das Aargauer Obergericht die Strafe zu einer lebenslangen Verwahrung. Daniel H. legte Beschwerde ein. Ein Jahr später hob das Bundesgericht die lebenslange Verwahrung auf.Begründung:Eine lebenslange Verwahrung komme nur in Frage, wenn der Täter «tatsächlich auf Lebzeiten keiner Behandlung zugänglich ist». Dies könne bei Daniel H. nicht ausgeschlossen werden.
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Markus WengerDie Tat:Wenger gilt als einer der gefährlichsten Triebtäter der Schweiz: Zwischen 1983 und 1990 hatte er insgesamt 21 Frauen vergewaltigt. Im Oktober 2011 und im Februar 2012 sedierte er in seiner Wohnung in Basel zwei Frauen mit chemischen Substanzen und nötigte sie sexuell.Die Strafe: Wenger wurde 2013 vom Basler Strafgericht zu viereinhalb Jahren Gefängnis und einer lebenslangen Verwahrung verurteilt. Er legte Beschwerde ein. 2015 hob das Bundesgericht die lebenslange Verwahrung auf. Begründung:Für die lebenslängliche Verwahrung müsse der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität des Opfers «besonders schwer» beeinträchtigt oder wenigstens die Absicht gehabt haben, dies zu tun. Diese Bedingung sei bei Wenger nicht erfüllt.

56,2 Prozent der Stimmbürger sagten 2004 Ja zur Volksinitiative «Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter». 2008 trat das entsprechende Gesetz in Kraft.

Zwei Jahre darauf wurde der erste Täter lebenslang verwahrt: Mike A. hatte ein thailändisches Callgirl getötet und ihre Leiche im Wald entsorgt. Das Risiko, dass der sadistische Vergewaltiger erneut eine schwere Straftat begehe, sei sehr hoch, begründete der Präsident des Bezirksgerichts Weinfelden die Massnahme. Mike A. legte Berufung gegen das Urteil ein, zog diese dann aber zurück.

Das sagt das Gesetz

Voraussetzung für die lebenslängliche Verwahrung ist die Schwere der Straftat. Der Artikel 64 im Strafgesetzbuch zählt unter anderem Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Geiselnahme, Menschenhandel oder Völkermord auf.

Hinzu kommen strenge Voraussetzungen, die für eine lebenslange Verwahrung erfüllt sein müssen: Erstens muss der Täter «die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt» oder die Absicht dazu gehabt haben.

Zweitens muss beim Täter «eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit» bestehen, dass er rückfällig wird. Drittens muss er «als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft» werden, «weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht».

Bundesgericht hebt jeden Fall auf

Das Bundesgericht hob bisher in jedem Fall, bei dem der Täter Beschwerde einlegte, das Urteil auf, weil die Voraussetzungen für die lebenslange Verwahrung nicht erfüllt seien (siehe Bildstrecke). Vor allem die dauerhafte Nicht-Therapierbarkeit sorgte für gehässige Diskussionen.

Laut der Initiative wäre eine Entlassung eines lebenslang Verwahrten erst möglich, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die wirksame Behandlung vorliegen. Eine regelmässige Überprüfung wie bei der ordentlichen Verwahrung gibt es hingegen nicht. Dies verstösst nach Ansicht vieler Juristen gegen die Menschenrechtskonvention.

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