Kanton TessinBeamte dealen mit B-Bewilligungen
In Bellinzona sind zwei Personen im Zusammenhang mit Diebstahl, Bestechung und Verstoss gegen das Ausländergesetz verhaftet worden.

Insgesamt wurden vier Personen festgenommen: Ein Ausländerausweis B für Ausländer, die sich für einen bestimmten Zweck längerfristig mit oder ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten. (Archiv)
Keystone/Christian BeutlerEin Mitarbeiter und eine Ex-Mitarbeiterin des Tessiner Migrationsamts sind am Dienstag festgenommen worden. Sie sollen zusammen mit zwei Komplizen zahlreichen ausländischen Personen Aufenthaltsbewilligungen im Tessin und anderen Kantonen «vermittelt» haben, obwohl diese darauf gar kein Anrecht hatten.
Die Verhaftung der vier Personen – darunter zwei ehemalige beziehungsweise aktuelle Angestellte des Tessiner Migrationsamts – rief am Mittwoch auch die politischen Verantwortlichen auf den Plan. Sicherheitsdirektor Norman Gobbi (Lega) verurteilte den «Vertrauensmissbrauch» an einer Medienkonferenz in Bellinzona aufs Schärfste.
«Vermittlung» von Aufenthaltserlaubnissen
Dem 28-jährigen Mitarbeiter und der Ex-Mitarbeiterin gleichen Alters werden Diebstahl, Bestechung und ein Verstoss gegen das Ausländergesetz vorgeworfen.
Die Beiden haben laut der Kantonspolizei einen 25-Jährigen bei der illegalen «Vermittlung» von Aufenthaltserlaubnissen unterstützt – in welcher Form sei derzeit noch Gegenstand von Ermittlungen. Der Vermittler soll für seine Dienste laut der Staatsanwaltschaft «mehrere tausend Franken» eingestrichen haben.
Entlassung ohne Zusammenhang
Die 28-Jährige sei bereits 2015 aus «disziplinarischen Gründen» aus dem Dienst entlassen worden, sagte Gobbi am Mittwoch. Ein Zusammenhang zu den laufenden Untersuchungen bestehe allerdings nicht. Im Fall des 28-jährigen Kollegen, der im Migrationsamt angestellt sei, wird laut Gobbi noch eine offizielle Mitteilung der Staatsanwaltschaft abgewartet. Ihm wurden aber bereits die Zugangsrechte zu seinem Arbeitsort entzogen.
Der Komplize der beiden 28-Jährigen soll ein Besitzer einer Baufirma im Raum Bellinzona sein. Der 25-jährige wurde laut Polizeiangaben bereits im Kosovo festgenommen. Gegen ihn sei zudem ein Haftbefehl ausgestellt worden. Ihm werden Menschenhandel, Bestechung, Dokumentenfälschung und Verstösse gegen das Ausländergesetz vorgeworfen.
Bei der vierten festgenommen Person handelt es sich um einen 27-Jährigen, der ebenfalls auf verschiedene Weise in den Fall verwickelt sein soll.
Fall mit Konsequenzen
Gobbi wiederholte am Mittwoch vor Medienvertretern, dass die internen Kontrollen im Migrationsamt effizient gewesen seien und zur Aufklärung beigetragen hätten. Ausserdem sei innerhalb des Tessiner Migrationsamts in der Zwischenzeit eine «Neuorganisation» eingeleitet worden, welche auch auf den Polizeiermittlungen in dem mutmasslichen Betrugsfall beruhe.
Seit 2011 werden laut Gobbi beim Tessiner Migrationsamt nur noch Schweizer eingestellt. So könne das «Missbrauchsrisiko» gemindert werden – der nun mutmasslich straffällige Mitarbeiter aus Italien sei 2010 angeheuert worden. Erst später habe er die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten, so Gobbi.
Bewilligungen könnten ungültig sein
Der Hinweis auf den mutmasslichen Fall von Menschenhandel war von der Abteilung für Bevölkerungsfragen innerhalb des Tessiner Sicherheitsdepartements gekommen. Daraufhin wurden im vergangenen Jahr die Ermittlungen aufgenommen. In der Zwischenzeit wurde die Interimschefin der Sektion für Bevölkerungsfragen durch den neuen Leiter Thomas Ferrari ersetzt. Er war ebenfalls am Medienanlass in Bellinzona anwesend, konnte jedoch im Hinblick auf das laufende Verfahren nur sehr begrenzt Auskunft geben.
Er liess aber bereits durchblicken, dass jene B-Bewilligungen, welche von den beiden Kantonsfunktionären im Zusammenhang mit einer mutmasslichen Straftat ausgestellt worden seien, ihre Gültigkeit verlören. (mch/nag/sda)