Bodigt diese Frau die No-Billag-Initiative?

Aktualisiert

AbstimmungBodigt diese Frau die No-Billag-Initiative?

Sie ist selbstkritisch und charismatisch: Die SRG-Vizedirektorin Ladina Heimgartner könnte den No-Billag-Freunden gefährlich werden. Doch kommt sie zu spät?

D. Pomper
von
D. Pomper
Die SRG-Vizegeneraldirektorin Ladina Heimgartner gibt sich in der WOZ selbstkritisch: «Wenn wir als arrogant empfunden werden, ist das unser Problem, nicht jenes der Leute, die uns so wahrnehmen. Ein öffentliches Medienhaus hat nicht arrogant zu sein – Punkt.»
Kommunikationsexperte Marcus Knill findet: Heimgartner wirke authentisch und versprühe Optimismus. Man spüre ihre Leidenschaft für die SRG. Und diese könne ansteckend wirken. «Das ist eine unglaubliche Stärke, die ich bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand oder SRG-Präsident Jean-Michel Cina – beide sind eher blasse Figuren – vermisse», sagt Knill.
Heimgartner, die auch als Präsidentin des Stiftungsrates der Glückskette amtet, sieht die durch die No-Billag-Initiative angestossene Diskussion auch als Chance: «Wir haben noch nie so viel erfahren über uns selber, so viel Selbstreflexion betrieben wie jetzt».
1 / 5

Die SRG-Vizegeneraldirektorin Ladina Heimgartner gibt sich in der WOZ selbstkritisch: «Wenn wir als arrogant empfunden werden, ist das unser Problem, nicht jenes der Leute, die uns so wahrnehmen. Ein öffentliches Medienhaus hat nicht arrogant zu sein – Punkt.»

Keystone/Peter Schneider

Die Gegner der No-Billag-Initiative haben ihr Anliegen noch längst nicht in trockene Tücher gebracht. Laut der letzten Tamedia-Abstimmungsumfrage Ende Dezember würde eine knappe Mehrheit von 51 Prozent ein Ja in die Urne legen. Den Gegnern fehlte bislang ein starkes, charismatisches Aushängeschild. Nun aber drängt die 37-jährige Bündnerin Ladina Heimgartner in den Vordergrund. «Mit ihrer unbestechlich ehrlichen Art, die Dinge beim Namen zu nennen, hat Ladina Heimgartner das Potenzial, zum Schreck der No-Billag-Initianten zu werden», schreibt die «SonntagsZeitung». Vier Gründe, warum Heimgartner den No-Billag-Freunden gefährlich werden könnte.

1. Sie ist selbstkritisch

«Ja, wir haben Fehler gemacht», sagte Ladina Heimgartner kürzlich an einer Podiumsdiskussion. Es sei der SRG nicht gelungen, aufzuzeigen, welchen Nutzen die Menschen in der Schweiz von einem öffentlichen Medienhaus haben, sagte sie zur Wochezeitung WOZ. Ausserdem sei die Schweiz ein KMU-Land, ein Büezerland. «Und wir sind gross und komplex.» Grösse sei in der Schweiz nichts Sympathisches. Zudem wirke die SRG vielleicht zu selbstsicher. «Wenn wir als arrogant empfunden werden, ist das unser Problem, nicht jenes der Leute, die uns so wahrnehmen. Ein öffentliches Medienhaus hat nicht arrogant zu sein – Punkt.»

Im Interview mit der «Südostschweiz am Wochenende» verschonte Heimgartner auch ihre SRG-Kollegen nicht mit Kritik, die teils mit emotionalen Tweets zur Initiative an die Öffentlichkeit getreten waren. «Eine gewisse Gelassenheit und Zurückhaltung, gerade in den sozialen Medien, täten uns schon gut», sagte Heimgartner, die sich auf Twitter bescheiden als «medienschaffende Rätoromanin» bezeichnet.

Laut Kommunikationsexperte Marcus Knill punktet Heimgartner mit Eigenschaften, durch die sich andere SRG-Führungskräfte nicht gerade auszeichnen: «Ladina Heimgartner kann Fehler eingestehen und ist einsichtig. Ihre Aussagen wirken ehrlich und nicht berechnend.» Insbesondere der ehemalige SRG-Generaldirektor Roger de Weck habe bei Publikumswünschen überheblich gewirkt und mit seiner Art viele Menschen vor den Kopf gestossen. «Da sitzt der Frust tief. Viele wollen der arroganten SRG einen Denkzettel verpassen.» Ob Heimgartners Selbstkritik das Publikum noch rechtzeitig zu besänftigen vermöge, bleibe abzuwarten.

2. Sie hat ein gewinnendes Auftreten

«Sie spricht alle vier Landessprachen, ist telegen und formuliert griffig», schrieb die «NZZ am Sonntag». Knill lobt Heimgartners Charisma: «Sie wirkt anständig, erfrischend und freundlich. Und zwar von innen heraus. Da ist nichts gekünstelt. Man glaubt ihr, was sie sagt.» Die Frau wirke authentisch und versprühe Optimismus. Man spüre ihre Leidenschaft für die SRG. Und diese könne ansteckend wirken. «Das ist eine unglaubliche Stärke, die ich bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand oder SRG-Präsident Jean-Michel Cina – beide sind eher blasse Figuren – vermisse», sagt Knill. Trete Marchand ans Rednerpult, habe man das Gefühl, dass er verzweifelt versuche, die Gefahr abzuwenden. Da wirke Heimgartner mit Abstand am glaubwürdigsten. Und das sei genau das, was die SRG jetzt brauche.

Auch fehlt es Heimgartner, die mit ihrem Kurzhaarschnitt SVP-Nationalrätin Natalie Rickli ähnlich sieht, nicht an der Eigenschaft, sich selber nicht allzu ernst zu nehmen. Im Interview mit der WOZ räumte sie lachend ein, sie könne nicht abstreiten, dass es für ihre Karriere ein Glücksfall ist, dass es das Rätoromanische gibt. «Frau, etwas jünger, Rätoromanin, Randregion – das sucht man heute in so einer Firma.»

3. Sie will die Jungen abholen

18- bis 34-Jährige konsumieren deutlich seltener SRG-Angebote als ältere Semester, was für die Zukunft der SRG eine grosse Herausforderung darstellt. Ladina Heimgartner (Jahrgang 1980) ist bestrebt, junge Generationen abzuholen. Neben SRG-Sendern schaut sie auch Netflix, RTL, Vox und 3+. «Es ist wichtig für mich, die aktuellen Entwicklungen mitzuverfolgen», sagte Heimgartner gegenüber dem Bündner Newsportal «GR Heute». Von privaten Anbietern könne man lernen. Netflix mache «tolle fiktionale Serien», Vox «spannende Unterhaltungsformate». Ihr sei bewusst, dass die jungen User nicht mehr um 19.30 Uhr vor der «Tagesschau» sitzen. «Wenn wir die junge Generation ansprechen wollen, müssen wir dahin gehen, wo sie ist.»

Kommunikationsberater Knill glaubt, dass Heimgartner aufgrund ihrer Jugendlichkeit bei der jungen Zielgruppe mit ihrer Message eine grössere Glaubwürdigkeit geniesst als etwa Marchand. Die Medienplattform Horizont.net ist denn auch überzeugt, dass die neue SRG-Führungscrew Heimgartner nicht ohne Hintergedanken zur stellvertretenden Generaldirektorin befördert hat. Wolle man die Digital Natives, die an Gratiskultur gewöhnt seien, überzeugen, sei ein junges Gesicht im Abstimmungskampf von Vorteil.

4. Sie ist offen für Veränderungen

Der Wunsch eines grossen Teils der Bevölkerung, die SRG zu verschlanken, wurde in der Vergangenheit von der Führungsspitze und der Politik geflissentlich ignoriert. Umso mehr erstaunt es, dass Heimgartner eine kleinere Radiotelevisiun Svizra Rumantscha RTR in Betracht zieht. «Natürlich ginge es auch etwas kleiner», sagte sie gegenüber der WOZ. «Aber nicht, ohne dass ein Teil des Publikums etwas dabei verliert.» Wenn das heutige Modell nicht mehr das richtige sei, müsse man es weiterentwickeln. So sieht Heimgartner die durch die No-Billag-Initiative angestossene Diskussion denn auch als Chance: «Wir haben noch nie so viel über uns selber erfahren, so viel Selbstreflexion betrieben wie jetzt.»

Wohin die Reise gehen könnte, deutete die Tochter eines Hotelbesitzerehepaars im Interview mit «GR Heute» an. Der kurzfristige individuelle Nutzen sei heute für viele wichtiger geworden. Daher müssten sich neue Kernideen des öffentlichen Medienhauses herausbilden, mit denen sich die Menschen identifizieren könnten: «Es geht um ein Lebensgefühl, das ein Medienangebot vermitteln muss. Mit diesem müssen sich die Zielgruppen identifizieren können: «Wenn man das zukünftig als öffentliche Institution nicht hinbekommt, wird es langfristig schwierig.»

Von der Germanistik-Studentin zur SRG-Vize-Generaldirektorin

Ladina Heimgartner (37) hat in Freiburg Germanistik und Rätoromanisch studiert. Sie arbeitete bei den «Freiburger Nachrichten» und dem «Bünder Tagblatt» bevor sie zur SRG stiess. 2014 wurde Heimgartner zur neuen Direktorin von RTR Radiotelevisun Svizra Rumantscha gewählt. Seit Oktober 2017 ist sie stellvertretende SRG-Generaldirektorin. Ausserdem ist sie Präsidentin der Glückskette und Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission. Im letzten Jahr wurde die Bündnerin zu den Top 100 erfolgreichsten Frauen der Schweiz gekürt.

Deine Meinung zählt