AbstimmungsbüchleinBund unterschlägt Argumente der Gegner
Im Abstimmungsbüchlein lasse der Bundesrat oft wichtige Informationen unter den Tisch fallen, klagen Politiker von rechts und links. Ein gemeinsamer Vorstoss soll damit Schluss machen.
Am kommenden Sonntag werden die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wieder an die Urne gerufen. Eine der wichtigsten Quellen, um sich eine Meinung über die anstehenden Vorlagen zu bilden, ist das Abstimmungsbüchlein, das alle Stimmberechtigten erhalten. Laut Bundesgesetz findet sich darin eine «kurze, sachliche Erläuterung des Bundesrates, die auch den Auffassungen wesentlicher Minderheiten Rechnung trägt».
Gleich zwei solcher Minderheiten sehen diese Garantie im Vorfeld der Abstimmung vom 12. Februar verletzt: die SVP, die gegen die Einbürgerungsvorlage kämpft, und der Verkehrsclub (VCS), der sich gegen den Strassenfonds NAF wehrt. Von «Behördenpropaganda» im Abstimmungsbüchlein und einem «demokratiepolitischen Skandal» spricht SVP-Nationalrat Mauro Tuena im «Blick». SP-Nationalrätin und VCS-Präsidentin Evi Allemann nennt die Erläuterungen des Bundesrats zumindest «demokratiepolitisch sehr heikel».
Unausgeglichene Gewichtung
Tatsächlich umfassen die bundesrätlichen Ausführungen zur erleichterten Einbürgerung sieben Seiten – den Argumenten der Gegner räumt die Regierung unter dem Punkt «Die Beratungen im Parlament» dabei nur drei kurze Sätze ein. Den NAF erklärt der Bundesrat auf zehn Seiten: Bereits unter dem Punkt «das Wichtigste in Kürze» konstatiert der Bundesrat: «Davon profitieren Bevölkerung und Wirtschaft.» Die Befürchtungen der Gegner erscheinen auf zwei Sätze reduziert.
Warum diese Einseitigkeit? Bei Initiativen und Referenden erhalten die jeweiligen Komitees eine ganze Seite, um ihre besten Argumente darzulegen. So auch aktuell bei der Abstimmung über die Steuerreform. René Lenzin von der Bundeskanzlei rechtfertigt dies gegenüber dem «Blick»: «Bei obligatorischen Referenden wie jetzt der NAF- und Einbürgerungsvorlage ist dies nicht möglich, weil es keine Urheber-Komitees gibt und weil es unterschiedliche und teilweise sich widersprechende Argumente gegen solche Behördenvorlagen geben kann.» Aus terminlichen Gründen lasse sich weder die Abstimmungskampagne abbilden noch der Parolenspiegel darstellen. Redaktionsschluss für das aktuelle Abstimmungsbüchlein sei der 2. November gewesen, sagt Lenzin.
Neue Praxis gefordert
Diese Argumentation befriedigt die Vertreter der Minderheiten in keiner Weise. «Die heutige Situation ist unbefriedigend und muss korrigiert werden.», sagt Evi Allemann. Und Tuena verweist auf die Praxis der Stadt Zürich. Hier dürfen im Parlament unterlegene Fraktionen selbst einen Text für das Abstimmungsbüchlein verfassen. Dafür zeichnet er sich zusammen mit der jetzigen SP-Nationalrätin Min Li Marti verantwortlich.«Es geht weder um den politischen Inhalt noch um eine Frage von links oder rechts», betont Tuena im «Blick». Zusammen mit Allemann arbeitet er nun an einem Vorstoss, um eine analoge Regelung auch auf Bundesebene zu etablieren.