SVP-InitiativeDarum werden wir nochmals abstimmen
Egal wie der Bundesrat die Zuwanderungsinitiative umsetzt – allen kann er es nicht recht machen. Ein Referendum ist deshalb wahrscheinlich.

Grosser Jubel bei der SVP am Sonntag – aber noch sind die Initianten nicht am Ziel.
SP-Politiker Rudolf Rechsteiner erntet mit seiner Forderung, die Abstimmung zur SVP-Zuwanderungsinitiative zu wiederholen, grösstenteils empörte Leserkommentare. Auch die SP-Parteispitze hat den früheren Nationalrat mittlerweile zurückgepfiffen. Dennoch: Das Volk hat am Sonntag kaum zum letzten Mal über die Zuwanderungsbremse abgestimmt.
Eine Möglichkeit ist das Referendum. Der Bundesrat setzte sich am Mittwoch eine Frist bis Ende Jahr, um eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten. Über den Vorschlag wird ab 2015 das Parlament beraten. Der Gesetzestext, den es dann verabschiedet, untersteht dem freiwilligen Referendum. Somit reichen 50'000 Unterschriften, um eine neue Abstimmung zu erzwingen.
SP kann sich Referendum vorstellen
Der «Blick» sagt voraus, die Abstimmungsverlierer FDP, SP und CVP würden das Referendum ergreifen. FDP-Präsident Philipp Müller reagiert erstaunt: «Das ist völlig falsch – wir müssen zuerst schauen, was der Bundesrat genau vorlegt.» Auch SVP-Generalsekretär Martin Baltisser findet die Referendumsdebatte vier Tage nach der Abstimmung absurd: «Alle besonnenen politischen Kräfte konzentrieren sich nun auf die Umsetzung der Initiative.»
SP-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen will für eine definitive Antwort auf die Referendumsfrage ebenfalls den Vorschlag des Bundesrates und die Reaktionen aus Brüssel abwarten. Sie sagt aber auch: «Wenn sich herausstellt, dass eine Umsetzung der Initiative entgegen den Behauptungen der SVP zur Beerdigung der bilateralen Verträge führt, ist eine Abstimmung gerechtfertigt.» Denn dieses gravierende Szenario sei nicht Gegenstand der Abstimmung vom Sonntag gewesen.
Unmöglich, dass alle zufrieden sind
Bundesrat und Parlament müssen die Quadratur des Kreises schaffen: Eine Umsetzung, die allen Parteien und der Wirtschaft passt, ist praktisch unmöglich. Der Politologe Thomas Milic geht deshalb davon aus, dass mindestens eine Seite so unzufrieden ist, dass sie das Referendum ergreifen wird.
Ein wahrscheinliches Szenario ist laut Milic, dass es im Parlament einen von den Mitteparteien getragenen Kompromiss gibt, der gerade noch EU-kompatibel ist. «Die SVP würde diesen ablehnen, weil es sich nicht um eine buchstabengetreue Umsetzung der Initiative handle. Und die SP, weil sie die Vorlage für fremdenfeindlich hielte.» Eine solche unheilige Allianz könnte das Referendum problemlos erzwingen.
Dann muss der Bundesrat ran
Auch der emeritierte Freiburger Staatsrechtsprofessor Thomas Fleiner schätzt die Chancen hoch ein, dass es zu einer Abstimmung über den Gesetzestext kommt. Wird dieser vom Volk versenkt, ist die SVP-Initiative jedoch noch nicht vom Tisch: Die Kontingentierung bleibt in der Verfassung festgeschrieben.
Der Bundesrat müsste den Willen der Initianten auf dem Verordnungsweg durchsetzen. Wenn jedoch die SVP-Gegner die Referendumsabstimmung gewonnen hätten, könnte die Regierung das nicht einfach ignorieren, glaubt Fleiner: «Der Wille der Volksmehrheit müsste dann in die Verordnung einfliessen.»
Mit neuer Initiative SVP-Artikel kippen
Einen anderen Weg skizziert SP-Nationalrat Andreas Gross im «Tages-Anzeiger»: Mittels einer neuen Initiative könnten die Verlierer vom Sonntag versuchen, die Kontingentierungs-Artikel aus der Verfassung zu streichen.
Umfassender möchte hingegen Ex-Chefunterhändler Michael Ambühl die Beziehungen mit Brüssel regeln: Der Bundesrat soll ein Kontingentssystem vorlegen, das mit der Personenfreizügigkeit möglichst gut kompatibel ist. Eine solche Lösung liesse sich mit den weiteren offenen Fragen im Verhältnis zur EU zu einem Gesamtpaket schnüren. Und darüber könnte dann das Volk abstimmen, so Ambühl, der heute als ETH-Professor tätig ist.