Das E-Voting des Bundes ist nicht mehr zeitgemäss

Aktualisiert

«Black Box»Das E-Voting des Bundes ist nicht mehr zeitgemäss

Am Abstimmungssonntag vor einer Woche ist es zu einer Panne beim E-Voting gekommen. Der Fehler konnte behoben werden. Experten kritisieren die Systeme in der Schweiz aber grundsätzlich.

Lukas Mäder
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Lukas Mäder
Das E-Voting in der Schweiz entspricht nicht den aktuellen Standards der Wissenschaft: Bund und Kantone prüfen eine Verbesserung.

Das E-Voting in der Schweiz entspricht nicht den aktuellen Standards der Wissenschaft: Bund und Kantone prüfen eine Verbesserung.

Bei der Auszählung von Stimmen kommt es immer wieder zu Fehlern. Und Nachzählungen der Stimm- oder Wahlzettel ergeben manchmal verschiedene Resultate. Am letzten Sonntag ist es auch beim elektronischen Abstimmen, dem E-Voting, zu einem Fehler gekommen. Ein im Kanton Luzern angemeldeter Auslandschweizer hat laut dem Kanton Genf, der das Informatiksystem für mehrere Kantone betreibt, zweimal seine Stimme abgegeben. Der Fehler sei erkannt und behoben worden, teilten die Genfer Staatskanzlei und die Bundeskanzlei bereits am Sonntag mit. Der Vorfall hat jedoch Kritik hervorgerufen.

In einem offenen Brief, den die Piratenpartei initiiert hat, fordern die Unterzeichner, die Versuche mit dem E-Voting einzustellen. Das System sei intransparent und offensichtlich fehlerhaft; weitere Sicherheitsmängel seien zu befürchten. «Es darf nicht vorkommen, dass die Wähler doppelt abstimmen können, und die Bundeskanzlei danach einfach Stimmen verändert», sagt der abtretende Präsident der Piratenpartei, Denis Simonet. Weiter verlangen die Absender des Briefs, den auch die Nationalräte Toni Brunner (SVP), Lukas Reimann (SVP), Antonio Hodgers (Grüne) Balthasar Glättli (Grüne) unterzeichnet haben, die Offenlegung des Quellcodes des Systems sowie eine unabhängige, öffentliche Aufsichtskommission.

Stimmgeheimnis blieb gewahrt

Bei der Bundeskanzlei weist man die Kritik aufgrund des Vorfalls in Genf zurück. Eine Konsistenzprüfung habe die doppelte Stimme erkannt. Die überzählige Stimme sei daraufhin entfernt worden - ohne zu wissen, wer der Stimmberechtigte war und wie er abgestimmt hatte. Das Stimmgeheimnis war jederzeit gewahrt, betont die Bundeskanzlei. Die Ursache des Problems, der zur zweimaligen Stimmabgabe führte, konnte zudem rasch behoben werden.

Zwar hat das Monitoring-System im Fall vom letzten Sonntag sofort Alarm geschlagen. Dennoch gibt es keinen Beweis, dass diese Überwachungsfunktion alle möglichen Fehler des E-Voting-Systems erkennt. Weil es schwierig ist, ein sicheres System zu entwickeln, beurteilt Simonet E-Voting grundsätzlich kritisch. «Es geht dabei auch um die Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung.» Um genau dies zu erreichen, fordert die aktuelle Forschung in diesem Bereich Systeme, deren Resultate verifizierbar sind. Dies bedeutet, dass die Korrektheit der Abstimmung mathematisch belegt werden kann - selbst wenn der Quellcode nicht bekannt ist.

Jeder kann Resultat überprüfen

In der Schweiz sind alle drei kantonalen E-Voting-Systeme nicht verifizierbar - und entsprechen damit nicht dem aktuellen Forschungsstand. Dabei sei diese Frage europaweit ein grosses Thema, sagt ein Mitarbeiter der Berner Fachhochschule, die mit der Bundeskanzlei zusammenarbeitet. «Die Empfehlungen der EU gehen in Richtung vermehrter Transparenz.» Systeme ohne Verifizierung seien eine Black Box, bei dem der Stimmberechtigte nicht absolut sicher sein kann, dass seine Stimme angekommen ist, sagt der Experte. Bei einem verifizierbaren System würden die Abstimmungsdaten hingegen in verschlüsselter Form öffentlich gemacht. Die Korrektheit der Stimmabgabe könne theoretisch jedermann kontrollieren, zum Beispiel mit unabhängiger Drittsoftware.

Dass die schweizerischen Systeme anders aufgebaut sind, liegt daran, dass zum Zeitpunkt ihrer Entwicklung das Konzept der Verifizierbarkeit noch unbekannt war, heisst es bei der Bundeskanzlei. «Die Forschung hat dieses Konzept erst in den letzten Jahren entwickelt», schreibt die Bundeskanzlei. Norwegen gilt diesbezüglich als Vorzeigebeispiel, weil das dortige elektronische Abstimmungssystem erst kürzlich eingeführt und verifizierbar ist. Die Vorteile sieht auch die Bundeskanzlei. Es sei allerdings weniger eine Frage der Sicherheit als vielmehr der Nachvollziehbarkeit. Diese wiederum ist laut Expertenmeinung wichtig für das Vertrauen der Bevölkerung in das E-Voting. Deshalb ist die Verfizierbarkeit auch in der Schweiz ein Thema, wie die Bundeskanzlei bestätigt. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund, Kantonen und der Wissenschaft prüft derzeit, die bestehenden Systeme entsprechend nachzurüsten.

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