Das Wort «invalid» soll auf die schwarze Liste

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SprachpolizeiDas Wort «invalid» soll auf die schwarze Liste

Der Begriff «invalid» sei diskriminierend, sagt eine Politikerin. Sie fordert, dass der Bund in seinen Publikation auf das Wort verzichtet – und die Invalidenversicherung umtauft.

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Das Wort «invalid» sein diskriminierend, sagen EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller sowie die Behindertenverbände Agile.ch und Pro Infirmis.
Streiff-Feller (r.) will den Ausdruck nun per Gesetz verbieten. Unterzeichnet hat den Vorstoss auch CVP-Nationalrat Christian Lohr, der selbst im Rollstuhl sitzt.
SVP-Nationalrat Mauro Tuena geht die Forderung zu weit: Es sei zu weit hergeholt, im Begriff etwas Abschätziges zu sehen.
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Das Wort «invalid» sein diskriminierend, sagen EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller sowie die Behindertenverbände Agile.ch und Pro Infirmis.

Keystone/Gaetan Bally

«Kaum jemand bezeichnet heute noch Menschen mit Behinderung spontan mit diskriminierenden oder verfälschten Ausdrücken wie ‹Mongoloide› oder ‹Krüppel›», sagt EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller. Dagegen sei das Wort «invalid» nach wie vor salonfähig, obwohl dieses ebenfalls diskriminierend und nicht mehr zeitgemäss sei.

Wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt bedeute «invalid» «ohne Wert» oder «unvermögend», abgeleitet aus dem negierten Wortstamm «valere» («stark», «gesund», «wert sein», «gelten»), schreibt die Politikerin in einem Vorstoss. Sie verlangt, dass der Bundesrat die gesetzlichen Grundlagen schafft, um den Begriff in amtlichen Publikationen zu ersetzen. Unterzeichnet haben die Motion Parlamentarier von links bis rechts.

VMB statt IV?

Bei kommenden IV-Revisionen müsse der Ausdruck «Invalidität» sukzessive verschwinden, sagt Streiff-Feller. Dies sei auch ein Anliegen der Betroffenen. «Wenn man Integration vor Rente postuliert, sollten Menschen mit Behinderung auch als wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft bezeichnet werden.» Bereits weiter seien hier die Kantone, die in ihren Behindertenkonzepten die Terminologie «Menschen mit Behinderung» verwendeten.

Einen neuen Namen bräuchte auch die 1960 eingeführte Invalidenversicherung (IV). Für Streiff-Feller kein Problem. Ihr Vorschlag: Die IV könnte zum Beispiel VMB heissen – Versicherung für Menschen mit Beeinträchtigung.

«Nicht besser als ‹Krüppel›»

Behindertenorganisationen begrüssen den Vorstoss. Der Dachverband Agile.ch hat kürzlich einen Leitfaden für politisch korrekte Sprache herausgegeben. «Nur weil ein Ausdruck gängig ist, heisst dies nicht, dass er auch korrekt ist. Sprache ist verräterisch», sagt Zentralsekretärin Suzanne Auer. Könne jemand Latein, schwinge immer die negative Bedeutung mit.

Auer fordert einen sensibleren Umgang nicht nur in der Bundesverwaltung, sondern auch im Alltag: «Das Wort ‹Invalider› ist nicht besser als ‹Krüppel›.» Auch Wendungen wie «an den Rollstuhl gefesselt sein» oder in der Jugendsprache gängige Ausdrücke wie «Spasti» oder «Möngi» seien höchst verletzend.

«Wir haben weiss Gott andere Probleme!»

Nicht für den Vorstoss erwärmen kann sich SVP-Nationalrat Mauro Tuena: «Wir haben weiss Gott andere Probleme in diesem Land.» Wörtlich übersetzt möge der Begriff zwar diese negative Bedeutung tragen – allerdings sei diese längst vergessen.

«Letztlich zählt, ob ein Begriff diskriminierend gemeint ist. Und wenn man die Leute auf der Strasse fragen würde: Niemand verwendet das Wort in abschätziger Art und Weise.» Dafür ein Gesetz zu machen, sei «etwas weit hergeholt», so der Zürcher.

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