Leere BürosDer Freitag wird zum neuen Samstag
Immer mehr Schweizer gönnen sich drei Tage Wochenende. Viele Büros sind deshalb am Freitag verwaist - zum Ärger von Arbeitgebern und Kunden.

Ausspannen statt arbeiten: Viele Schweizer starten schon am Freitag ins Wochenende.
Müssen Sie etwas mit Ihrer Wohnungsverwaltung klären oder brauchen Sie eine Information von der Steuerbehörde? Dann ist der Freitag ein denkbar schlechter Tag, um dies zu erledigen. Die Chance ist gross, dass Ihre Ansprechperson nicht im Büro ist und niemand Ihren Telefonanruf entgegennimmt.
Die Zahl der Vollzeitarbeitenden hat in den letzten Jahren laufend abgenommen. Arbeiteten vor 20 Jahren laut offizieller Statistik noch 73 Prozent der Angestellten Vollzeit, sind es heute noch gut 64 Prozent. Alle anderen Arbeitnehmer gönnen sich neben dem Wochenende mindestens einen zusätzlichen freien Tag pro Woche - und bei vielen fällt dieser auf den Freitag.
Des Teilzeitlers Lieblingstag
Sven Wieland vom Personalvermittlungs-Unternehmen Randstad sagt, es hänge oft von der persönlichen Lebenssituation ab, wann 80-Prozent-Angestellte ihren freien Tag am liebsten einziehen. «Viele Teilzeitarbeitende bevorzugen aber den Freitag.» Entsprechend zeigt auch eine Umfrage bei verschiedenen Branchen- und Personalverbänden: Am fünften Tag der Woche ist es in den meisten Betrieben massiv ruhiger.
Die Erfahrungen von Jürg Wiler, Leiter des Projekts Teilzeitmann Schweiz, zeigen ebenfalls: «Viele Männer, die 80 Prozent arbeiten, wollen ihren Papitag auf den Freitag legen.» Gerade wenn mehrere Mitarbeiter diesen Anspruch anmeldeten, könne das für Firmen schwierig sein.
Für einen Verbandsvertreter aus dem kaufmännischen Bereich, der nicht namentlich genannt werden will, ist das eine besorgniserregende Tendenz: «In den meisten Firmen ist am Freitag tote Hose - wir bewegen uns in Richtung einer Viertagewoche.» Denn neben den Teilzeitangestellten machten oft auch Vollzeitmitarbeitende am Freitag früher Schluss. Die Folge: Kunden, die etwas brauchen, haben das Nachsehen.
«Keine Verhältnisse wie in Deutschland»
Trotzdem will in den kontaktierten Verbänden niemand am Teilzeitmodell rütteln. Balz Stückelberger vom Arbeitgeberverband der Banken sagt: «Es ist alles eine Frage der Organisation - mit der richtigen Planung kann der Betrieb auch am Freitag problemlos aufrechterhalten werden.» Bei KV Schweiz heisst es: «Es ist entscheidend, dass Mails und Anrufe an jedem Arbeitstag beantwortet werden - wenn nicht anders möglich zumindest von einer Telefonzentrale.» Und Teilzeitmann-Projektleiter Jürg Wiler sagt: «Als Teilzeitmitarbeiter muss man flexibel sein und darf sich nicht auf einen fixen freien Tag versteifen.»
Auch Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt warnt davor, den Freitag als Arbeitstag abzuschreiben. «Die Firmen müssen sich so organisieren, dass der Betrieb auch am Freitag funktioniert.» Die Schweiz verdanke ihren Wohlstand massgeblich dem Umstand, dass sie höhere Wochenarbeitszeiten habe als das umliegende Ausland. «Verhältnisse wie in Deutschland, wo am Freitag ab 14 Uhr nur noch wenige arbeiten, sind nicht erstrebenswert.»
Einmal Teilzeit, immer Teilzeit
Psychologin Manuela Tomaschett führt die sinkende Bereitschaft, am Freitag zu arbeiten, auf den Zeitgeist zurück: Die Work-Life-Balance sei heute vielen Leuten wichtiger als früher. «Da ist es natürlich attraktiv, wenn man schon früher ins Wochenende gehen kann.» Dazu kommt: Wenn sie einmal auf 80 Prozent reduziert haben, fällt es vielen Menschen schwer, wieder aufzustocken. «Sie wollen diesen Luxus nicht mehr aufgeben.»