Diese Spesen kassieren die Politiker

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GA, Essensgeld, ParkgebührenDiese Spesen kassieren die Politiker

Wer im National- oder Ständerat sitzt, profitiert von zahlreichen Privilegien. 20 Minuten listet auf, wo Politiker einen Zustupf erhalten.

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the/vro
Parlamentarier erhalten etliche Privilegien. So können sie etwa ein 1.-Klasse-GA beziehen.
Grünen-Nationalrätin Irene Kälin wollte allerdings ein GA für die 2. Klasse, weil sie immer 2. Klasse fahre. Das gibt es allerdings nicht beim Bund.
Die Parlamentarier können ausserdem Sprachkurse machen. Jedoch nicht in der Romandie oder im Tessin, sondern im Ausland, etwa an der Côte d'Azur.
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Parlamentarier erhalten etliche Privilegien. So können sie etwa ein 1.-Klasse-GA beziehen.

Keystone/Christian Beutler

Die Grünen-Nationalrätin Irene Kälin wollte ein GA zweiter Klasse, doch dies ist nicht möglich: Den Politikern in Bundesbern wird automatisch ein 1.-Klasse-GA oder eine Pauschale von 4775 Franken ausbezahlt. Als Kälin nachfragte, beschied man ihr, sie könne ja mit ihrem 1.-Klasse-GA einfach in der 2. Klasse fahren. Kälin bezog die Pauschale und zahlt damit nun Asylsuchenden einen Zustupf ans Zugbillett. Dies berichtet die «Aargauer Zeitung».

Doch das GA der ersten Klasse ist nicht das einzige Politiker-Privileg. Für die National- und Ständeräte gibt es neben dem Lohn für die Ratsarbeit von 26'000 Franken, dem Taggeld von 440 Franken pro Sitzungstag, den 33'000 Franken für Personal- und Sachausgaben und den Vorsorge- und Betreuungsbeiträgen auch noch zahlreiche weitere Entschädigungen. Elf Beispiele:

Sprachkurse an der Côte d'Azur statt im Welschland: 2000 Franken pro Jahr

Für Sprachkurse gibt es bis zu 2000 Franken pro Jahr. Viele Parlamentarier zieht es aber nicht ins Welschland oder ins Tessin, sondern nach Südfrankreich oder in die Toskana. Das sorgt bei Kälin für Kopfschütteln: «Ich verstehe nicht, warum hier nicht gilt: ‹Switzerland first›», sagt sie zu 20 Minuten.

Handy und Internet: 200 Franken pro Monat

Auch das Handy- und Internetabo eines Parlamentariers wird vom Steuerzahler finanziert. Die Swisscom bietet den Parlamentariern ein entsprechendes Paket an. Kosten über 200 Franken müssen die Politiker selber bezahlen.

Keine Parkgebühren: 147 Franken pro Jahr

Ob im Berner Parkhaus Casino oder an Schweizer Bahnhöfen: Ein Parlamentarier bezahlt keine Parkgebühren. Wer einen Beleg vorweisen kann, erhält den Betrag zurück. Im Schnitt machen die Bundespolitiker einen Aufwand von 147 Franken pro Jahr geltend, wie eine Erhebung der Universität Genf aus dem Jahr 2016 zeigt. Kälin findet das überflüssig: «Der grösste Teil der Parlamentarier reist mit dem ÖV an.» Zudem gebe es ohnehin kaum Parkplätze in der Nähe des Bundeshauses.

Computer und andere Geräte: 9300 Franken pro Legislaturperiode

Benötigen die Politiker einen neuen Computer, ein Smartphone oder ein anderes Gerät für ihre Arbeit, können Sie die Kosten ebenfalls auf den Steuerzahler abwälzen. Für die vier Jahre lange Legislaturperiode steht ein Kredit von 9300 Franken pro Person bereit. «Hier handelt es sich wohl um ein altes Privileg, das aus einer Zeit stammt, als elektronische Geräte noch teurer waren», sagt Kälin. 9300 Franken pro Person sind für sie ein stolzer Betrag.

Schäden am Auto übernimmt der Steuerzahler

Ob angetrunken wie Erich Hess und Filippo Lombardi oder nüchtern wie Christoph Mörgeli und Philipp Müller: Wer mit seinem Auto einen Unfall baut, muss sich zumindest um das Fahrzeug keine Sorgen machen, denn Schäden, die am Auto der Parlamentarier entstehen, übernimmt ebenfalls die Allgemeinheit. Voraussetzung ist, dass die Schäden «anlässlich der Teilnahme an Rats-, Kommissions-, Fraktionssitzungen und gleichgestellten Anlässen passieren», heisst es in der Regulierung. Und: «Die Deckung erstreckt sich auch auf ‹berufliche› oder ‹private› Teilstrecken von untergeordneter Bedeutung im Zusammenhang mit einer ‹parlamentarischen› Fahrt.» Kälin sieht hier ein Problem: «Man ist ja nicht nur als Parlamentarierin unterwegs, sondern oft auch privat.»

Essensgeld: 115 Franken pro Tag

Für die Verpflegung können die Politiker 115 Franken Spesen pro Tag geltend machen. Effektiv dinieren die Politiker gemäss Studienergebnissen für rund 2,5 Millionen Franken pro Jahr auf Staatskosten, das sind 10'218 Franken pro Ratsmitglied. Für Kälin sind 115 Franken eher viel. «Auch für weniger Geld bekommt man ein gutes Abend- oder Mittagessen.» Man müsse aber auch bedenken, dass die Politiker manchmal auch Begleiter zum Essen einladen.

Hotelpauschale, auch ohne Hotel: 180 Franken pro Tag (steuerfrei)

Wer Luftlinie mehr als 10 Kilometer vom Sitzungsort – meist das Bundeshaus – wohnt, kann eine Übernachtungspauschale von 180 Franken geltend machen, auch wenn er oder sie gar nicht auswärts übernachtet. Das soll sich bald ändern, zur Freude von Kälin, denn auch wer gar nicht auswärts übernachte, behalte das Geld.

Reisespesen: 395 Franken pro Tag (steuerfrei)

Für Sitzungen im Ausland übernimmt der Bund die effektiven Reisekosten, bei Flugreisen die Kosten für das Billett in der Economy Class und ab 4 Std. Flug in der Business Class. Dieser Zustupf sei nur gerechtfertigt, wenn man auf offizieller Staatsreise sei, findet Kälin. «Dann ist ein gewisser diplomatischer Standard nötig.»

Ein Franken pro Minute Distanz-Entschädigung

Wenn die Reisezeit vom Wohnort 90 Minuten übersteigt, kann ein Bundesparlamentarier für jede zusätzliche Viertelstunde 15 Franken beziehen, um einen Erwerbsausfall in dieser Zeit kompensieren. 1572 Franken machten die Politiker 2016 im Schnitt geltend. Dieses Privileg ist für Kälin wiederum richtig: «Es ist etwas anderes, wenn man aus einem kleinen Dorf in Graubünden kommt. Es darf nicht sein, dass die Randregionen im Parlament verloren gehen. Für Parlamentarier von weit weg ist das Amt in Bern mit mehr Aufwand verbunden.»

Zulangen für Spezialaufgaben

Wer eine Kommission leitet, bekommt pro Sitzung zusätzlich 440 Franken, die Berichterstatter können 220 Franken zusätzlich beziehen. Die Präsidenten von National- und Ständerat erhalten zudem einen Zustupf von 44'000 Franken zu ihrem Lohn. Für die Vizepräsidenten gibt es immerhin 11'000 Franken.

28'200 Franken pro Jahr für Abgewählte

Auch wenn man aus dem Nationalrat abgewählt wurde, kann man noch von seinem Politiker-Status profitieren. Parlamentarier, die aus dem Ratsbetrieb ausscheiden, können während maximal zweier Jahre eine Überbrückungshilfe von höchstens 28'200 Franken pro Jahr oder 2350 Franken pro Monat bekommen. Auch diese Regelung ist umstritten. So setzte sich etwa Natalie Rickli gegen den Kredit ein, denn schliesslich könne auch ein Politiker aufs RAV gehen. Das sieht Nationalrätin Kälin etwas anders. Das RAV sei zwar eine andere Lösung, allerdings müsse man bedenken, in welcher Situation abgewählte Politiker sind: «Nicht jeder Arbeitgeber will einen ehemaligen Parlamentarier einstellen. Es ist nicht einfach, im Anschluss einen Job zu finden, wenn die eigene Meinung bekannt ist.» Zudem gebe es beim Parlament keine Kündigungsfrist. Die Überbrückungshilfe ist für Kälin deshalb richtig.

Doch die Grünen-Nationalrätin stört sich generell am System der Privilegien, zumal diese teilweise sehr grosszügig ausfallen. «Sie sind finanziell alle eher am oberen Rand von normal angesiedelt», sagt Kälin. Einfach streichen würde sie die Zustupfe jedoch nicht: «Man könnte sie in einen anständigen Lohn überführen, der aber auch versteuert wird.» Wichtig sei, dass jeder Parlamentarier unabhängig bleibe und seine Politik machen könne. Bei der ganzen Diskussion ist für Kälin vor allem eines wichtig: «Ich will die gleiche Person bleiben, die ich bin.» Deshalb fährt sie auch heute noch in der 2. Klasse Zug.

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