Migration drosselnEcopop kann auf die linke Basis hoffen
Zuwanderung bremsen, um die Umwelt zu schützen: Dieses Rezept tönt auch für rotgrüne Wähler verlockend. Gewerkschaftler wissen um diese Gefahr – und bereiten den Abwehr-Kampf vor.

Die Ecopop-Initianten deponierten die 120 000 Unterschriften am Freitag in Bern. Wie viele linke Wähler das Volksbegehren unterstützen, wird sich zeigen.
Seit Freitag liegen die Unterschriften der Ecopop-Initiative in Bern. Das dicke Polster der 120 000 Unterschriften – 20 000 mehr als nötig – dürfte ausreichen, damit das Volksbegehren die Prüfung durch die Bundeskanzlei übersteht. Die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) hat bereits ihre Unterstützung bekundet – will die radikale Initiative doch den Bevölkerungszuwachs auf 16 000 Personen pro Jahr beschränken, indem die Zuwanderung gedrosselt wird.
Doch mit rechtem Gedankengut will die Umweltorganisation Ecopop nichts zu tun haben: Die Initianten distanzierten sich am Freitag deutlich von fremdenfeindlichen Ideen. «Wir sehen kein Ausländerproblem», sagt Komiteemitglied Dieter Steiner. Nicht Menschen abwehren, sondern die natürlichen Ressourcen der Schweiz bewahren, ist demnach das Ziel von Ecopop.
Klares Nein von grüner Spitze
Die Suche nach politischen Verbündeten ausserhalb der braunen Szene gestaltet sich dennoch schwierig: SVP und Schweizer Demokraten haben je eine eigene Überfremdungs-Initiative am Start. Die bürgerliche Mitte will die Personenfreizügigkeit mit der EU nicht durch Zuwanderungsschranken gefährden. Bleiben noch die Linken. Die Initianten betonen, sie hätten für die Unterschriftensammlung auch Unterstützung von grünen Parteimitgliedern bekommen. Die grüne Parteispitze hingegen lehnt die Initiative mit dem Argument ab, Isolationismus löse keine Umweltprobleme.
Auch bei der SP-Fraktion äussert niemand Sympathien für das Volksbegehren – mit einer Ausnahme: Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran findet, die Schweiz ertrage nicht mehr als die derzeit acht Millionen Einwohner. Dank der Initiative diskutiere man jetzt darüber, «ob wir wirklich immer weiter wachsen müssen».
Angst vor Lohndumping
Die praktisch geschlossene Abwehrfront könnte täuschen. Einzelkämpferin Badran liegt möglicherweise näher bei einem Teil der linksgrünen Basis ist als ihre Bundeshauskollegen. Laut Politikbeobachter Michael Hermann ist gerade bei den grünen Wählern die Wachstumsskepsis weit verbreitet. «Insofern spricht die Initiative das Bauchgefühl der ökologischen Basis an, während bei der Elite der Kopf Nein sagt.»
Mit den Gewerkschaften hat ein anderer Teil des linken Fussvolks zwar weniger gegen die umweltschädlichen Auswirkungen des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums einzuwenden – denn Wachstum bringt auch Jobs. Doch die Vorbehalte gegenüber der Zuwanderung, welche die Ecopop-Initiative ebenfalls bedient, steigen auch bei Gewerkschaftern. «Sie werden wegen der Angst vor Lohndumping tendenziell öffnungskritischer», sagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker.
Linke Wähler sind migrationspolitischen Verschärfungen nicht per se abgeneigt. Im Sorgenbarometer 2011 fanden immerhin 22 Prozent von ihnen, dass die Ausländerthematik zu den grössten Problemen des Landes zähle. Weil Ecopop im Gegensatz zur SVP keine Abwehrreflexe bei der linken Wählerschaft auslöst, kann die Vereinigung durchaus auf Unterstützung hoffen.
Warnung an die Wirtschaft
Dieser Gefahr für die Linken ist sich der SP-Gewerkschaftsflügel bewusst. «Wir haben einen Aufklärungsauftrag», sagt Nationalrat Philipp Hadorn, Sekretär der Verkehrspersonals-Gewerkschaft SEV. «Leute mit einem ökologischen Gewissen sollten sich von den Ecopop-Versprechen ebenso wenig blenden lassen wie Leute, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben.» Die Basler Grossrätin Regina Rahmen ergänzt, die Milizgewerkschafter müssten an Gewerkschaftsversammlungen die Basis «auf Augenhöhe von der Menschenfeindlichkeit» der Initiative überzeugen.
Ihr Parteikollege Max Chopard glaubt, dass die Linke mit ihrer Mindestlohninitiative – minimal 22 Franken Stundenlohn – die Angst der Büezer vor dem Lohndruck durch ausländische Konkurrenz bannen kann. Der Unia-Mann nutzt die Ecopop-Initiative gleichzeitig als Druckmittel gegenüber den bürgerlichen Parteien: «Sollte die Wirtschaft die flankierenden Massnahmen demontieren, würden die Sympathien für die Initiative bei der Arbeiterschaft sicher zunehmen.»