Drahtlos im AppenzellEine Achterbahnfahrt im Wifi-Postauto
Ausgerechnet im idyllischen Appenzellerland fährt einer der ersten Wifi-Busse der Schweiz. Für Wifi-Junkies eine echte Nervenprobe, wie unsere Video-Reportage zeigt.
Das von zahlreichen Funklöchern durchzogene Appenzellerland ist ein echter Härtetest für die seit April mit Gratis-Wlan ausgerüsteten Postautos. Die geschwungenen Hügelketten sind teilweise noch schneebedeckt, und es schüttet wie aus Kübeln, als das Reporterteam von 20 Minuten Online im 903 Meter über Meer gelegenen Trogen AR das zweistöckige Flagschiff-Postauto besteigt. Nur ein kleines Wifi-Signet bei den Türen verrät, dass wir hier in die drahtlose ÖV-Zukunft einsteigen (siehe Videoreportage oben).
Auf dem Oberdeck treffen wir Thomas Hitz aus dem zürcherischen Horgen: Etwas verzweifelt drückt er auf seinem Smartphone herum: «Die Wifi-Verbindung funktioniert nicht», sagt der technikbegeisterte Mann enttäuscht. In der Tat: «Kein Netz» steht auf dem Handy-Bildschirm – und zeigt eine zentrale Schwachstelle der fahrenden Gratis-Hotspots auf: Das drahtlose Internet im Postauto funktioniert nur bei ausreichender UMTS-Netzabdeckung.
Postauto-Romantik ade
Gemächlich tuckert das Postauto in Richtung St. Gallen. Nachdem wir Heiden AR hinter uns gelassen haben, klart der Himmel auf. Die braunen Kühe weiden zufrieden auf der saftig-grünen Wiese. Mit jeder Kurve, so scheint es, verbessert sich der Empfang. Und so surfen wir nach einer problemlosen SMS-Registrierung via Post-Wifi mit dem Tablet-Computer im fahrenden Postauto. Erste Zwischenbilanz: Webseiten laden zwar gemächlich, aber die Technik funktioniert. Die Surf-Geschwindigkeit beträgt Überland im Test 544 Kbit pro Sekunde.
Das Gratis-Wifi erfreut vor allem die jüngere Postauto-Kundschaft: «Ohne mein iPhone kann ich fast nicht mehr leben – und Internet gehört heute einfach überall dazu», sagt Mitzwanzigerin Sonja Baumann. Sie wurde allerdings erst durch unseren Hinweis auf das neue Angebot aufmerksam. «Ich habe noch keine Rückmeldungen erhalten», sagt Postauto-Chauffeur Stefan Koster. Mit der Postauto-Romantik ist es im fahrenden Hotspot endgültig vorbei. «Die Leute reden so oder so wegen der Handys immer weniger miteinander», stellt der Chauffeur fest.
In der Agglo beschleunigt das Wifi massiv
Erst in der St. Galler Agglo nimmt das Wifi richtig Fahrt auf: Mit 4098 Kbit/s nähern wir uns der Olma-Stadt. Auf dem Tablet laufen selbst hochauflösende Videos problemlos. Bilanz: Das Post-Wifi gleicht in puncto Surfgeschwindigkeit einer Achterbahnfahrt.
Im SBB-Intercity von St. Gallen nach Zürich ist der Surfspass vorbei: Ohne 3G-Modul herrscht auf dem Tablet in Sachen Internet Mattscheibe. Eine kleine Umfrage im Waggon zeigt: Wifi im Zug ist ein grosses Bedürfnis. «Ich habe mir extra einen UMTS-Laptop gekauft, doch der Empfang ist oft schlecht», sagt Jungunternehmer Darius, der geschäftlich in der ganzen Schweiz unterwegs ist.
Vorteil Postauto
Unser ÖV-Wifi-Test zeigt: Das drahtlose Internet im Postauto funktioniert zwar wenigstens teilweise, wirklich arbeiten wollen wird im ruckligen Postauto aber wohl niemand. Die Post setzt im ÖV neue Massstäbe und will – nicht zuletzt aus Imagegründen – fast ihre ganze Busflotte mit Internet ausrüsten.
Nachholbedarf herrscht hingegen bei den SBB: Die Surfgeschwindigkeit variiert im Zug stark. Zwischen Winterthur und Zürich-Flughafen messen wir im fahrenden Neigezug zwar beachtliche 3434 Kbit/s. Sekunden später bricht aber die 3G-Verbindung komplett ab – die schlechte Abdeckung sorgt nicht selten für rote Köpfe bei den Reisenden. Besserung ist noch lange nicht in Sicht: Erst 2014 will die SBB erste mit Wifi ausgerüstete Züge einsetzten.
Komplett den Zug verpasst haben dagegen die Zürcher Verkehrsbetriebe: Drahtloses Internet ist weder in Trams noch Bussen ein Thema. Ganz im Gegensatz zur Stadt Basel, wo bald alle Fahrzeuge mit Wifi unterwegs sein werden.
1000 Post-Surfer
Seit 10. April verkehren in der Schweiz 40 mit Wifi ausgerüstete Postautos. Laut Post-Sprecher Mariano Masserini haben sich bislang rund 1000 Benutzer registriert. Bis 2013 will die Post rund 1500 Busse mit Gratis-Wifi ausrüsten, was 70 Prozent der Linien entspricht.