Blitz-MarathonEuropa macht Jagd auf Raser – Schweiz schaut zu
Europaweit verstärken Polizeikorps die Geschwindigkeitskontrollen für 24 Stunden massiv. Die Schweiz macht bei der Aktion nicht mit. Das könnte sich künftig ändern.

Die Polizei in Deutschland und 21 weiteren Ländern führt am Donnerstag einen Blitz-Marathon durch.
Autofahrer in Europa sollten am Donnerstag den Fuss vom Gas nehmen: Deutschland und 21 weitere Länder führen heute während 24 Stunden den Blitz-Marathon durch. In Deutschland werden dafür 13'000 Polizisten an über 7000 Stellen die Geschwindigkeit kontrollieren.
Europaweit sollen 100'000 Polizisten im Einsatz stehen. Die Aktion wird als Aufklärungskampagne verstanden. Sie diene der Verkehrssicherheit und es gehe nicht darum, Einnahmen zu generieren, teilt die Polizei Nordhrein-Westfalen (NRW) mit.
«Wir zocken die Leute nicht ab»
«Wir wollen in die Köpfe der Autofahrer, nicht in ihre Portemonnaies», sagt Wolfgang Beus, Sprecher des Innenministeriums NRW. Deshalb veröffentliche man vor dem Donnerstag fast alle Kontrollstandorte zuvor im Internet.
Und Meik Reichmann von der Polizei NRW ergänzt: «Wir zocken die Leute nicht ab, sondern stellen die Blitzer an diesen Stellen auf, die nachweislich gefährlich sind und an denen oft Menschen zu Tode kommen.» Der Vorwurf sei nur dann berechtigt, wenn an einer Stelle kontrolliert würde, wo keine Passanten gefährdet seien.
Schweiz lässt Aktion sausen
Was vor drei Jahren als Projekt der Polizei Nordrhein-Westfalen begann, weitete sich unter der Schirmherrschaft von Tispol, der Vereinigung der Verkehrspolizeien, auf andere Länder aus. Die Schweiz ist bei Tispol Mitglied – macht aber beim Marathon nicht mit.
Yves Staub, Chef Verkehrstechnik der Kantonspolizei Solothurn, erklärt: «Wir verzichteten, weil bei uns tägliche Geschwindigkeitskontrollen im Gegensatz zu anderen Ländern normal sind.» Der Blitz-Marathon sei noch kein offizielle Kampagne der Tispol – wie andere, an denen sich die Schweiz bereits beteiligt. Das Netzwerk wolle die Resultate sammeln und analysieren. «Sollte Tispol nächstes Jahr den Blitz-Marathon ankündigen, können wir nicht ausschliessen, dass wir da mitziehen werden.»
«Haben das ganze Jahr Blitz-Marathon»
Die Überlegung, den Blitz-Marathon auch in der Schweiz durchzuführen, hält SVP-Verkehrspolitiker und Nationalrat Walter Wobmann für überflüssig. «Wir haben in der Schweiz schon das ganze Jahr Blitz-Marathon.» Der Privatverkehr werde förmlich kriminalisiert.
Man werde jahrein, jahraus kontrolliert und während bei anderen Übertretungen des Gesetzes der Richter Spielraum habe, sei dies beim Verkehr überhaupt nicht mehr gegeben. «Das ist mir zu radikal – da gefällt mir das System in Deutschland mit den Punkten in Flensburg übrigens besser.» Wobmann selbst flatterte vor rund drei Wochen das letzte Mal eine Busse ins Haus:«Ich war im 100er ein paar km/h zu schnell».
Auch Roadcross nicht für Blitz-Tag
Auch die Stiftung Roadcross hält einen Blitz-Marathon für unnötig, wie Geschäftsführerin Valesca Zaugg sagt. «Unser System mit den fest- und semi-mobil-installierten Geschwindigkeitsmessgeräten und den spontanen mobilen Kontrollen der Polizei führen zu einem hohen Bewusstsein für das richtige Verkehrsverhalten in der Bevölkerung – auch wenn das Verhalten leider längst nicht von allen adaptiert wird.»
Einen speziellen Tag in der Schweiz brauche es deshalb nicht, die Autofahrer hierzulande seien sich im Prinzip genug bewusst, wie sie sich richtig verhalten sollten. Zaugg: «Da haben andere Länder – vor allem im Osten Europas, wie die Statistiken untermauern – einen grösseren Nachholbedarf.»
70 Verkehrstote pro Tag
Im September 2014, beim letzten Blitz-Marathon, wurden rund drei Millionen Autofahrer kontrolliert und etwa 93'000 Schnellfahrer ertappt. Ein Jahr zuvor wurden 83'000 Verkehrssünder erwischt. Überhöhte Geschwindigkeit ist die häufigste Unfallursache, alleine in Deutschland starben letztes Jahr 3350 Menschen bei Verkehrsunfällen. 2014 sind EU-weit im Schnitt 70 Menschen am Tag im Strassenverkehr ums Leben gekommen.