Expats stören sich an starrenden Schweizern

Aktualisiert

«Swiss Stare»Expats stören sich an starrenden Schweizern

Einwanderer beschweren sich online über die durchdringenden Blicke der Schweizer. Expat-Autor Diccon Bewes hat Erklärungen.

Nikolai Thelitz
von
Nikolai Thelitz

Was die Expats an der Schweiz merkwürdig finden, erklärt Autor Diccon Bewes anhand einiger Bilder aus dem Buch «How to be Swiss», welches er zusammen mit Illustator Michael Meister verfasst hat. (Video: Nikolai Thelitz)

«Die Schweizer können Nichtschweizer riechen. Ich spüre, wie sie mich überall anstarren. So frustrierend», schreibt eine Amerikanerin auf ihrem Blog. Mit ihrer Frustration ist sie nicht alleine. Wer in die Schweiz kommt, um zu arbeiten, erfreut sich zwar am hohen Lebensstandard sowie dem guten Verdienst, willkommen fühlen sich die Einwanderer aber oft nicht. Mitunter stossen sie sich am sogenannten «Swiss Stare». Laut «Tages-Anzeiger» beklagen sich mehrere Einwanderer auf Blogs und in Expat-Foren über unangenehm starrende Schweizern.

«Die Leute schauen mich länger an, als anständig ist», klagt ein Amerikaner, der in der Westschweiz lebt, auf der Website Reddit. Ein anderer Einwanderer schreibt auf Englishforum.ch: «Wir werden dauernd angestarrt, die Blicke dauern scheinbar ewig.» Ein erfahrener Expat antwortet: «Welcome to Switzerland.» Das sei etwas Kulturelles hier, niemand solle den Grund bei sich selber suchen: «Das ist der falsche Schluss. Die Schweizer starren alle an, Fremde wie Eigene.»

«Vielleicht trauen sie sich nicht zu lächeln»

Diccon Bewes ist Autor (u.a. «How to Be Swiss») und zog vor elf Jahren in die Schweiz. Im Interview erzählt er, wie er den «Swiss Stare» erlebt und was Expats in der Schweiz sonst noch irritiert.

Herr Bewes, haben Sie den «Swiss Stare» auch schon erlebt?

Ja, diese eindringlichen Blicke kenne ich. Mich hat das aber nie gestört. Ich fasste es immer als Neugierde und Interesse seitens der Schweizer auf. Viele sind sich nicht gewöhnt, dass jemand Englisch redet. Nach elf Jahren habe ich mich an die Blicke gewöhnt. Aber bei den Angelsachsen ist es auch nicht so schlimm.

Nicht so schlimm?

Wenn man dunkelhäutig oder asiatisch ist, schauen die Schweizer noch viel mehr. Letztens traf ich im Quartier, in dem ich wohne, auf eine Vierergruppe schwarzer Männer, wahrscheinlich Asylbewerber. Auf der anderen Strassenseite standen drei Frauen mittleren Alters und starrten die Männer mit offenen Mündern an. Man hätte meinen können, die hätten noch nie einen Schwarzen gesehen.

Wieso schauen denn die Schweizer so?

Ich weiss es auch nicht. Vielleicht trauen sie sich nicht, zu lächeln oder Hallo zu sagen. Es wirkt auf Ausländer vielleicht auch irritierend, weil zwar der Blick kommt, aber kein Lächeln oder kein Gespräch. In England reden wir oft mit dem Sitznachbar im Zug oder lächeln zumindest. Die Schweizer schauen lieber, auch in anderen Situationen.

Wann denn?

Bei einem Gespräch unter Freunden oder am Arbeitsplatz ist es in der Schweiz höflich, wenn man sich in die Augen schaut, auch über längere Zeit. Ich habe mich dann immer gefühlt, als sei ich bei einem Bewerbungsgespräch oder einem Polizeiverhör. Im angelsächsischen Raum schaut man sich im Gespräch auch an, aber immer nur kurz, dann legt man eine Pause ein.

Gibt es noch mehr so Beispiele?

Ja, zum Beispiel ist es hier auch höflich, sich bei einem Apéro oder einen kleinen Party jedem vorzustellen. In England würde man denken: «Der hält sich jetzt für so wichtig, dass auch der Hinterletzte wissen muss, wer er ist?» Bei einer Hochzeit in England ist mein Schweizer Freund da ordentlich ins Fettnäpfchen getreten. Ich finde es auch komisch, dass im Lift alle «Hallo» sagen, sonst aber selten. Oder wenn man im Zug fragt «Ist da noch frei?», wenn es ganz offensichtlich noch Platz hat.

Was raten sie Expats, die sich durch Blicke gestört fühlen?

Lächeln Sie die Person einfach mal an, das kommt immer gut. Viele Schweizer merken es vielleicht gar nicht und meinen es gar nicht böse.

Viele Expats fühlen sich durch lange Blicke gestört. (Bild: Colourbox.de)

Deine Meinung zählt