Liberalisierung?Fernbusse sollen SBB im Inland Konkurrenz machen
Bürgerliche wollen Schweizer Städte mit Fernbussen verbinden – dabei führen sie auch ein Umweltargument an. Der Widerstand ist heftig.
Von Zürich direkt nach München, Mailand oder Prag: Fernbusse machen der Bahn bei Reisen über die Grenze vermehrt Konkurrenz. Mit Tiefpreisen locken Veranstalter immer mehr Kunden an – Marktführer Flixbus rechnet dieses Jahr mit über einer Million Fahrgästen aus der Schweiz. Kostet die Fahrt nach Mailand mit der Bahn 82 Franken pro Weg, ist es mit dem Fernbus rund ein Fünftel davon.
Das Flixbus-Angebot umfasst auch eine Verbindung von Zürich nach Basel-Mulhouse für 9 Euro. Offiziell endet die Fahrt ennet der französischen Grenze, laut «Tageswoche» können die Passagiere aber auch problemlos am Basler Bahnhof aussteigen. Das ist illegal, denn das sogenannte Kabotageverbot untersagt es ausländischen Unternehmen, innerhalb der Schweiz Transportdienstleistungen anzubieten. Ausserdem bestimmt das Personenbeförderungsgesetz, dass innerhalb der Schweiz ausschliesslich der Bund «Reisende mit regelmässigen und gewerbsmässigen Fahrten» transportieren darf.
Für Junge mit Zeit und wenig Geld
Geht es nach bürgerlichen Politikern, sollen diese Bestimmungen fallen. SVP-Nationalrat Lukas Reimann sagt: «Das Fernbus-Verbot im Inland ist völlig unsinnig.» Nicht nur würde eine Liberalisierung das Schienennetz entlasten – «die SBB wären auch gezwungen, wirtschaftlich zu handeln». Vor allem auf Pendlerstrecken wie Bern-Basel oder Zürich-Bern wäre die Nachfrage nach solchen Bussen gross, ist Reimann überzeugt.
Der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod verlangte schon letzten Dezember, dass der Bundesrat den Fernbusverkehr im Inland liberalisieren soll. Er argumentiert, die «übliche Kundschaft» der SBB möge mit einem «teuren, aber schnellen Transportmittel» zufrieden sein. Jüngere Menschen hingegen hätten oft weniger finanzielle Mittel und dafür mehr Zeit. Mittels Fernbussen könnten die Kapazitäten des öffentlichen Verkehrs zudem erhöht werden, ohne dass dies zu einer Zunahme der öffentlichen Ausgaben führe.
Zusätzlich bestärkt fühlen sich die Befürworter durch eine Untersuchung des deutschen Umweltbundesamts. Demnach verursachen Fernbusse pro Kilometer – je nach Auslastung – weniger Treibhausgase als die Eisenbahn. «Der Staat kann doch den Bürgern nicht ein Fortbewegungsmittel verbieten, das erst noch umweltfreundlicher wäre», so Reimann.
«Liberalisierungswahn»
Für CVP-Nationalrätin Kathy Riklin ist die zunehmende Konkurrenzierung der Bahn durch Fernbusse hingegen eine Fehlentwicklung. «Wir können nicht für Millionen von Franken das Bahnnetz ausbauen und einen Taktfahrplan bis spät in die Nacht aufrechterhalten und es dann mit Dumping-Angeboten konkurrenzieren.» Der «Liberalisierungswahn» der Bürgerlichen bereite ihr Sorgen. Auch das Umweltargument überzeugt sie nicht: Die Verkehrssituation in der Schweiz sei nicht mit dem «Autoland» Deutschland vergleichbar. «Auf stark befahrenen Strecken wie Zürich-Bern stünden die Busse ausserdem ohnehin nur im Stau – das würde sich für niemanden rentieren.»
Die SBB appelliert an die Politik, vor einer allfälligen Liberalisierung genau zu prüfen, welche Auswirkungen der Schritt hätte. Punkto Arbeitsbedingungen, Strassenbenutzungsgebühren, Haftungsregeln und Anforderungen an die Fahrzeugen müssten für Bahn und Bus «gleich lange Spiesse gelten», verlangt Sprecher Olivier Dischoe. Der Bundesrat prüft derzeit im Rahmen eines Berichts, unter welchen Bedingungen der Markt für Angebote im nationalen Busverkehr «kontrolliert geöffnet werden» könnte. Die Resultate sollen im ersten Halbjahr 2017 vorliegen.