«Zwangsabgaben»Firmen müssen für Kirchenkampagne zahlen
Eine Initiative will, dass Firmen im Bündnerland von der Kirchensteuer befreit werden. Paradox: Die Kirche finanziert die Gegenkampagne ausgerechnet mit Mitteln aus Firmensteuern.
Jedes Jahr zahlen Bündner Firmen den beiden kantonalen Landeskirchen rund acht Millionen Franken an Kirchensteuern. Nun soll diese Einnahmequelle wegfallen: Eine Initiative der Jungfreisinnigen, über die am 9. Februar abgestimmt wird, verlangt, dass Firmen keine Kirchensteuern mehr entrichten müssen.
Gegen das Volksbegehren kämpfen die Landeskirchen mit Leibeskräften an: 70'000 Franken steckt die Katholische Landeskirche in den Abstimmungskampf, 40'000 Franken die Reformierte. Zum Vergleich: Die Jungfreisinnigen beziffern ihr Budget auf nur gerade 15'000 Franken. «Eine Annahme der Initiative würde unsere finanzielle Grundlage in Frage stellen», begründet Placi Berther, Präsident der Verwaltungskommission der Katholischen Landeskirche Graubünden, das starke finanzielle Engagement. «Die Kirchensteuern der Firmen sind unsere grösste Einnahmequelle – sie machen 90 Prozent unserer Einnahmen aus.»
Auch das Geld für den Abstimmungskampf stammt laut Berther hauptsächlich aus Steuergeldern von Firmen. «Dazu kommen Gelder aus Zinsersparnissen – die Reformierte Kirche setzt zusätzlich auch noch Gelder von privaten Steuerzahlern ein.»
«Mit Zwangsabgaben auf Stimmenfang»
Für Thomas Bigliel, Präsident der Jungfreisinnigen Graubünden und Mitinitiant der Kirchensteuerinitiative, ist das grosse finanzielle Engagement der Landeskirchen «eine Frechheit». Nicht hauptsächlich, weil die Jungfreisinnigen damit «als David gegen einen Goliath kämpfen» müssten. Bigliel stösst sich vor allem daran, dass ausgerechnet Firmengelder für den Abstimmungskampf eingesetzt werden: «Es ist ein Hohn, wenn Kirchen mit Zwangsabgaben auf Stimmenfang gehen.» In der Abstimmung gehe es ja genau darum, diesen Zwang zu beseitigen. «Die Firmen können sich schliesslich nicht dagegen wehren, wenn ihr Geld für politische Propaganda missbraucht wird.»
Placi Berther von der Katholischen Landeskirche verteidigt die Ausgaben. Alle grossen Parteien seien sich einig, dass die Kirchen mit den Mitteln aus den Firmensteuern wichtige Dienste für die Gesellschaft leisteten. Das gelte es zu bewahren. Zudem gehe man mit dem Geld sehr haushälterisch um: «Es gibt keine flächendeckende Plakatkampagne und wir fluten die Haushalte nicht mit Flugblättern.»
«Das wäre tatsächlich paradox»
Voraussichtlich im Mai wird auch das Zürcher Stimmvolk über eine Kirchensteuerinitiative der Jungfreisinnigen abstimmen. Im Kanton Zürich bezahlen die Firmen jährlich 100 Millionen Franken Kirchensteuern – in absoluten Zahlen also über zwölf Mal mehr als im Bündnerland. Dennoch wenden die beiden Landeskirchen vergleichsweise weniger Geld für die Kampagne auf. Laut Nicolas Mori, dem Sprecher der Reformierten Kirche des Kantons Zürich, leisten beiden Kirchen je 30'000 Franken «Anschubfinanzierung».
Alle weiteren Mittel müsse das private Nein-Komitee generieren, so Mori. Denn: «Wir dürfen keine Steuergelder für grosse Kampagnen aufwenden.» Erlaubt sei lediglich «Informationsarbeit». Es sei auch denkbar, dass das Geld nach der Abstimmung wieder zurückbezahlt werde, so Mori. «Öffentlich-rechtliche Institutionen müssen in Abstimmungskämpfen grösste Zurückhaltung an den Tag legen.» Eine grössere Kampagne mit Erträgen aus Kirchensteuern zu finanzieren, komme für die Zürcher Landeskirchen nicht in Frage. «Das wäre ja tatsächlich etwas paradox.»