Gefangene sollen Handys erhalten

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Schmuggel-PräventionGefangene sollen Handys erhalten

Schon zwei Gefängnisaufseher wurden dieses Jahr beim Weitergeben von Mobiltelefonen erwischt. Ein Anwalt fordert nun, Insassen mit eigenen Handys auszurüsten.

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Zwei Fälle innerhalb zweier Monate: Aufseher schmuggelten für die Insassen Drogen und Mobiltelefone ins Gefängnis.
Offenbar ist das Bedürfnis der Insassen nach Handys so gross, dass sich Angestellte zu oft in Versuchung führen lassen, mehr als erlaubt durch die Durchreiche weiterzugeben.
Für den Genfer Anwalt Nicola Meier hat dies auch mit der Infrastruktur zu tun, die etwa im Genfer Gefängnis Champ-Dollon viel zu mangelhaft sei. Dort müsse ein Gefangener bis zu einen Monat warten, um ein Telefonat machen zu können.
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Zwei Fälle innerhalb zweier Monate: Aufseher schmuggelten für die Insassen Drogen und Mobiltelefone ins Gefängnis.

Keystone/Martial Trezzini

Im April wird ein Aufseher von Champ-Dollon (GE) an seinem Arbeitsplatz verhaftet, nachdem er Insassen Telefone und Drogen beschafft hatte. Im Juni wird ein Wächter in der Strafanstalt von Orbe VD beim Schmuggeln von Handys und Drogen erwischt.

Zwei Gefängnisaufseher innerhalb von rund zwei Monaten ist viel. Doch statt nun die Kontrollen und Auflagen zu verschärfen, fordert der Genfer Anwalt Nicola Meier einen ganz anderen Weg: «Wenn Gefangene freien Zugang zu Handys hätten, was ihr gutes Recht ist, würde das die Gefahr von Korruption deutlich verringern», sagt er gegenüber «Le Matin Dimanche».

Gefangene im Vollzug dürfen Kontakt mit der Aussenwelt haben

Meier argumentiert mit der Situation im Gefängnis Champ-Dollon, das ursprünglich als Untersuchungsgefängnis gebaut wurde, in dem sich mittlerweile aber rund die Hälfte der Insassen im Strafvollzug befinden. «Wer dort einen Anruf machen will, muss sich zum Teil einen Monat lang gedulden. Es müssten mindestens zehn weitere Telefonkabinen installiert werden, was aus Gründen der Infrastruktur nicht möglich ist. Darum müssen wir den Verurteilten ermöglichen, ein Handy zu haben.»

André Kuhn, Kriminologe und Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Neuenburg, findet den Vorschlag interessant. In den USA habe das Verbot von Alkohol zu einem grossen Schwarzmarkt und zu Kriminalität geführt. «Einmal legalisiert, gingen die Verstösse drastisch zurück. Diese Erkenntnis liesse sich auch auf die Mobiltelefone im Gefängnis übertragen. Vor allem Gefangene im Vollzug haben das Recht, Kontakt mit der Aussenwelt zu haben.»

Es geht um das Recht der Öffentlichkeit auf Sicherheit

Im Genfer Amt für Strafvollzug hat man eine klare Haltung zu dieser Forderung: «Moderne Handys ermöglichen den Zugriff auf das Internet, E-Mails und Karten-Applikationen. Diese Plattformen könnten verwendet werden, um eine Flucht zu organisieren», sagt Sprecher Laurent Forestier. Es stehe darum nicht zur Diskussion, Gefangenen ein Handy abzugeben.

Es geht den Vollzugsbehörden aber auch darum, die Kontrolle über die Telefonate von Gefangenen zu behalten. Gefängnisse können die Gespräche abhören, die ihre Insassen von den offiziellen Telefonen aus führen. «Die Vollzugsanstalten müssen die Rechte der Gefangenen immer gegen jene der Öffentlichkeit auf Sicherheit abwägen», sagt Raphaël Brossard, stellvertretender Leiter des Waadtländer Amts für Strafvollzug.

Drogenhandel, Flucht, Beeinflussung von Zeugen

Anwalt Meier gibt zu bedenken, dass die meisten Insassen nur mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben wollen. Ein Missbrauch finde sehr selten statt, wie Studien zeigten. «Ich persönlich kenne aus meinen 15 Jahren als Anwalt nur einen Fall, in dem ein Insasse von der Strafanstalt aus weiterhin den Drogenhandel kontrollierte.»

Forestier vom Genfer Amt für Strafvollzug widerspricht: «Es ist naiv zu glauben, dass Gefangene mit geschmuggelten Telefonen nur Kontakt zu ihren Familien suchen. Wir haben dokumentierte Fälle, in denen sie diese für den Drogenhandel einsetzten, Zeugen beeinflussten oder ihre Flucht vorbereiteten.»

Autorisierte Handys mit limitierter Funktion

Jean-Pierre Restellini, ehemaliger Präsident der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, rät darum, Handys mit limitierter Funktion und Gesprächskontrolle abzugeben. «Gibt man autorisierte Handys ab, wie das einige Länder bereits tun, könnte man den ständigen Kontakt zu den Angehörigen ermöglichen und gleichzeitig die Gespräche weiterhin abhören.»

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