Sind die vielen Gewitter normal?

Aktualisiert

UnwetterSind die vielen Gewitter normal?

Innert weniger Tage entluden sich mehrere starke Gewitter über der Schweiz. Was ist mit dem Wetter los?

von
B. Zanni
Gewitter werden laut einem Klimaforscher künftig immer intensiver.
Ein Leser-Reporter hielt am Donnerstagabend die tiefschwarzen Gewitterwolken bei Aarau fest.
Dieser Leser-Reporter sah die Gewitterfront von seinem Balkon aus: «Es war schön, das zu beobachten.» Dieses Bild sei eine Zusammenstellung von 11 Bildern, um die Anzahl der Blitze zu zeigen.
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Gewitter werden laut einem Klimaforscher künftig immer intensiver.

Gabriele Putzu

Ende Mai zog das erste grosse Gewitter über die Schweiz. Sintflutartige Regenfälle und golfballgrosse Hagelkörner suchten die Kantone Zürich und Aargau sowie die Ostschweiz heim. Am 4. Juni entlud sich ein heftiges Gewitter über dem Kanton Bern. Bereits am Montag schlug Petrus erneut zu. Starker Regen und Hagel fielen an einigen Orten. In Villeret BE schwammen Autos wie Boote durch die überfluteten Strassen. Fachpersonen beantworten die wichtigsten Fragen zur aktuellen Lage.

Drohen diese Woche weitere Gewitter?

Ja. Es bleibt feucht und warm. Am Dienstagabend gewitterte es in den Voralpen erneut. Der nächste grössere Schub folgt am Mittwoch. «Vor allem im Norden ist wieder Potenzial für kräftige Gewitter mit starken Schauern da», sagt Roger Perret von Meteonews. Bis zum Wochenende sind täglich Gewitter möglich. Nächste Woche unterbricht eine Kaltfront die Gewitterphase.

Warum gewittert es gerade so oft?

Zurzeit herrschen geringe Luftdruckunterschiede. Laut Roger Perret steigt dabei feuchte Luft auf, womit sich Gewitter und Schauer entwickeln.

Sind die vielen Gewitter normal?

Nein. Die Periode der Gewitteraktivitäten sei aussergewöhnlich lange, sagt Reto Knutti, Klimaforscher am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich. Klare Hinweise, dass diese Wetterlage häufiger vorkommt, bestehen aber nicht. «Die vielen Gewitter innert kurzer Zeit waren wahrscheinlich Zufall.»

Werden die Gewitter intensiver?

Die Stärke der Gewitter hingegen nimmt zu. Grund dafür ist laut Reto Knutti die Klimaerwärmung. Wenn viel warme und feuchte Luft durch die Sonneneinstrahlung aufgeheizt wird und aufsteigt, bilden sich Gewitter. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit nimmt sie auf. Ein Grad Celsius wärmere Luft kann sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen. «Die Gewitter werden demnach vor allem intensiver, weil sie mit stärkeren Regenfällen einhergehen.»

Müssen wir uns vermehrt auf Überflutungen gefasst machen?

Ja. Ohne Massnahmen steigt das Schadensrisiko laut Reto Knutti. «Der Hochwasserschutz muss bei Architekten und Behörden ein zentrales Thema bleiben.» Etwa allein im Kanton Zürich rechnet die Gebäudeversicherung nach dem neusten Unwetter mit Schäden von 20 Millionen Franken.

Was ist zu tun, wenn man auf einer Wanderung von einem Gewitter überrascht wird?

Der Blitz schlägt oft in den höchsten Punkt. «Darum sollte man sich von Gipfeln, Kreten und Bäumen fernhalten», sagt Reto Knutti. Gefährlich ist, sich an einem Ast festzuhalten – der Körper wird zum Blitzableiter. Besteht keine Unterschlupfmöglichkeit, sollte man mit dem Körper in kauernder Position ein Päckli machen.

Ist es gefährlich, bei Blitz und Donner zu zelten?

An exponierter Lage ja. In einem Zelt ist die Gefahr, von einem Blitz getroffen zu werden, laut Reto Knutti gleich gross wie im Freien. Sicher hingegen sind Häuser und Autos. Da Wasser leitet, soll man an Land gehen oder den Pool verlassen. Um nicht von einem Unwetter überrascht zu werden, sind Wetteralarm-Apps hilfreich.

Stimmt es, dass das Handy den Blitz anzieht?

Nein. Das ist ein Mythos. Die Strahlung ist dafür viel zu schwach.

Der Winter war besonders kalt, es gewittert aussergewöhnlich viel und schon im Mai konnte man in den See springen: Ist ein Hitzesommer möglich?

Davon kann man nicht ausgehen. Zwischen Extremen besteht laut Roger Perret kein Zusammenhang. Ein warmer Sommer sei aber wahrscheinlich. «Denn wegen der Klimaerwärmung steigen die Temperaturen pro Monat im mehrjährigen Schnitt.»

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