Initiativen für saubere LandwirtschaftGift-Bauern sollen ihre Subventionen verlieren
Pestizide aus der Landwirtschaft bedrohen das Schweizer Trinkwasser und die Artenvielfalt. Zwei Initiativen wollen nun gegen die Giftstoffe vorgehen.
Sie heissen «Desphenyl-Chloridazon» oder «Metolachlor» und sind in unserem Trinkwasser anzutreffen – in viel zu hoher Konzentration. An jeder fünften Trinkwasser-Messstelle hat der Bund im Rahmen der nationalen Grundwasserbeobachtung Naqua eine Pestizid-Konzentration über dem Toleranzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter gemessen. In Gebieten mit intensiver Landwirtschaft waren es bis zu 70 Prozent der Messstellen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Auch der «Kassensturz» berichtete letzte Woche von Winzern, die zu viel Pestizid einsetzen.
Zwei Initiativen wollen den Bauern nun Grenzen setzen. «Diese Resultate überraschen mich gar nicht, das Schweizer Trinkwasser ist alles andere als ausgezeichnet. Immer wieder werden die Toleranzwerte für Giftstoffe überschritten», sagt Franziska Herren, Kopf der Ende März lancierten «Initiative für sauberes Trinkwasser». Die Forderung der Initianten ist einfach: Wer auf seinem Bauernhof Pestizide einsetzt oder den Tieren präventiv Antibiotika verabreicht, dem sollen die Direktzahlungen gestrichen werden.
«Der Bund macht nicht vorwärts»
«Wir subventionieren zurzeit unsere eigene Vergiftung mit Steuergeldern. Das muss ein Ende haben», fordert Herren. In der Schuld sieht die Initiantin nicht die Bauern – diese würden auf Pestizid-Einsatz geschult und wüssten es meist gar nicht besser. «Die Initiative ist nötig, weil der Bund nicht vorwärtsmacht.» Zwar habe er ein Reduktionsziel für Pestizide vorgeschlagen, dieses sei jedoch viel zu niedrig. «Die Massnahmen reichen bei weitem nicht aus, die Pestizide schaden weiterhin Mensch und Natur.»
Dass es auch ohne Pestizide geht, beweisen laut Initianten Bauernhöfe, die nach den Demeter-Richtlinen produzieren, die noch strenger als Bio-Vorgaben sind. «Es werden nur nicht-toxische Pflanzenschutzmittel eingesetzt und die Tiere bekommen nur im Krankheitsfall Antibiotika», sagt Herren. Dies führe zu einer grösseren Artenvielfalt und sauberem Wasser. Die Bio-Richtlinien hingegen seien zu wenig rigoros, da auch dort hochtoxische Pestizide erlaubt seien.
«Wir wollen einen Paradigmenwechsel»
Eine weitere Forderung der Initianten: Ein Bauernhof soll nur noch so viele Tiere halten dürfen, wie er durch die eigene Nahrungsmittelproduktion ernähren kann. Dies, um die Menge der Gülle und Mist zu beschränken, die ebenfalls die Umwelt belasten. Seit Ende März haben die Initianten bereits 22'000 Unterschriften gesammelt – ohne Unterstützung von Parteien oder namhaften Verbänden.
Ein ähnliches Anliegen vertritt auch die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» der Westschweizer Gruppe Future 3.0 – sie wollen synthetische Pflanzenschutzmittel in der Schweiz verbieten. Auch der Import von Lebensmitteln, die mit Pestiziden behandelt wurden, sollen verboten werden. «Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Es ist ein absurder Prozess, wenn für unsere Ernährung die Ökovielfalt zerstört und unsere Gesundheit gefährdet wird», sagt Initiant Laurent Berset. So seien etwa seit dem Fall der Berliner Mauer 80 Prozent der Insektenpopulationen vernichtet worden.
Trinkwasser «mittel- bis langfristig bedroht»
Doch steht es wirklich so schlimm um das Schweizer Trinkwasser? Der Wasserverband gibt Entwarnung. «Wir haben nach wie wie sensationelles Trinkwasser, das man absolut bedenkenlos trinken kann», sagt Sprecher Paul Sicher. Die rund 800 Wasserversorger würden ihre Qualitätsdaten offenlegen; wären Grenzwerte von Pestizidbelastungen im verteilten Trinkwasser überschritten, müsste dies angegeben werden.
«Heute kann 70 Prozent des Trinkwassers natürlich und ohne komplizierte Reinigung oder Aufbereitung verteilt werden.» Dies sei ein Glücksfall in der Schweiz, für den es sich zu kämpfen lohne, den man aber ohne wirksame Massnahmen mittel- und langfristig bedroht sehe.
«Erst mal trifft es die Lebewesen im Wasser»
Es seien immer mehr Stoffe im Grundwasser nachweisbar – und dies in steigenden Konzentrationen, und es komme vermehrt auch zu Überschreitung des Anforderungswerte. «Diese sind wie ein Alarmzeichen zu verstehen: Wird dieser Wert überschritten, ist es höchste Zeit, etwas zu tun, noch haben wir Zeit hierfür.» Gesundheitliche Auswirkungen für den Menschen hätten die Überschreitungen nicht. «Erst mal trifft es die Lebewesen im und ums Wasser, die den Schadstoffen permanent ausgesetzt sind.»
Damit dies so bleibe, brauche es griffige Massnahmen. «Unsere Trinkwasserressourcen müssen besser geschützt werden, es braucht ein weitläufigeres Verbot von Pestiziden im Einflussbereich um die Wassergewinnungsstellen.» Eine flächendeckendes Verbot sei aus Sicht der Trinkwassersicherheit jedoch nicht notwendig, zudem seien die Initiativen wohl kaum mehrheitsfähig.