Viel mehr FälleGift-Dämpfe im Flugzeug als Gefahr für Passagiere?
Laut neuen Zahlen dringen giftige Öldämpfe viel häufiger in Flugzeug-Kabinen, als bisher gedacht. Piloten kritisieren, die Branche nehme das Problem zu wenig ernst.

Die Branche unterschätze das Problem der Öldämpfe in Kabinen, sagen Piloten.
Giftige Öldämpfe in Flugzeugkabinen kommen öfter vor als bisher angenommen. Wie die ARD-Sendung Monitor berichtet, gibt es viel mehr Fälle als bekannt: Alleine bei Flügen der Lufthansa mit dem A 380 kam es zwischen 2012 und 2013 zu mindestens 125 Vorfällen mit Öldämpfen. Den Behörden wurden offiziell jedoch nur 29 gemeldet.
Zu Öldämpfen kann es kommen, wenn in den Treibwerken Öl verdampft (siehe Box). So kann das Nervengift TCP in die Kabine gelangen. Wie schlimm diese sogenannten Fume Events für Personal und Passagiere sind, ist umstritten. Laut Nicoley Baublies, Vorsitzender der Gewerkschaft «Unabhängige Flugbegleiter Organisation» (UFO), haben in Deutschland mindestens 65 Piloten und Flugbegleiter Symptome gezeigt. Diese reichen von Lähmungserscheinungen, Schwindelgefühlen und Muskelzuckungen bis zu Atemproblemen. 2010 soll in Köln ein Germanwings-Flugzeug fast abgestürzt sein, weil die beiden Piloten beinahe in Ohnmacht gefallen waren.
«Mehr Fälle, als rapportiert werden»
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) in der Schweiz verweist jedoch darauf, dass ein kausaler Zusammenhang von Bestandteilen der Kabinenluft mit gesundheitlichen Problemen bis heute wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden sei. Die von Betroffenen beschriebenen Symptome können laut Bazl-Sprecher Urs Holderegger deshalb auch andere Ursachen haben, zum Beispiel zu niedriger Luftdruck. «Uns sind keine Fälle bekannt, in denen es bei Fume Events gesundheitliche Folgen gab.» Deshalb sehe das Bazl keinen dringenden Handlungsbedarf. «Wir verfolgen aber natürlich neue Forschungsergebnisse.»
Wie oft es bei Schweizer Fluggesellschaften Fume Events gibt, ist schwierig festzustellen. Die Swiss sprach vor zwei Jahren von «wenigen Fällen» von Fume Events pro Jahr. Genaue Zahlen gibt es keine. Thomas Steffen, Sprecher des Schweizer Pilotenverbands Aeropers, sagt: «Es gibt sicher mehr Fälle, als rapportiert werden. Einerseits, weil der Pilot es nicht meldet, beispielsweise wenn es nicht stark riecht oder er das Gefühl hat, es handle sich um einen anderen harmlosen Geruch.» Anderseits würden auch Passagiere wegen leichter Gerüche nicht die Crew alarmieren. «Vielen ist nicht bewusst, wie schädlich diese Dämpfe sein können.»
Verbesserte Filteranlage für Swiss
Laut Steffen sind die Öldämpfe ein ernst zu nehmendes Problem. «Diese nimmt die gesamte Flugbranche aber offenbar nicht sehr ernst, da viel zu wenig dagegen gemacht wird.» Der Druck sei noch zu gering. Zurzeit gebe es keine Alternative zum Nervengift TCP, das im Flugzeug-Triebwerk benötigt wird. Einzig die neue Boeing 787 Dreamliner verwende ein System, das keine Druckluft in die Kabine durchlasse. Die Lufthansa arbeitet an einem Warnsystem für giftige Kabinenluft.
Auch die Swiss ist aktiv: «Wir haben eine verbesserte Filteranlage auf dem Jumbolino installiert», sagt Sprecherin Ptassek. Man nehme das Thema sehr ernst. Sie schränkt aber ein: «Unser ärztlicher Dienst konnte bis jetzt bei der Crew aber keine gesundheitlichen Auffälligkeiten feststellen, die einen Zusammenhang mit kontaminierter Kabinenluft suggerieren.»
Giftige Dämpfe aus dem Triebwerk
In modernen Passagierflugzeugen kommt die Luft für die Kabine direkt und ungefiltert aus Triebwerk. Ist dort eine Dichtung durchlässig oder defekt, kann Triebwerksöl, das krebserregende Stoffe und das Nervengift TCP enthält, verdampfen und dadurch in den Innenraum gelangen. dos