Invasive PflanzenHanfpalmen bedrohen den Schweizer Wald
In Wäldern auf der Alpennordseite wachsen immer mehr Hanfpalmen und andere gebietsfremde Pflanzen. Nun schlagen Experten Alarm.

Grosser Bestand der Hanfpalme in einem Wald bei Locarno: Basler Forscher haben die exotische Baumart nun auch in Basler Wäldern nachgewiesen.
Chinesische Hanfpalmen wachsen auf Basler Boden – das meldete das Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz NLU der Universität Basel in einer Medienmitteilung. In den Waldstücken im Bruderholzquartier seien die Exoten bereits auf einem kurzen Spaziergang zu sehen. Die Befunde der Studie des NLU, die am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt wird, sind brisant: Rund 16 Prozent der in siedlungsnahen Basler Waldgebieten vorgefundenen Pflanzenarten sind Neophyten, also von Menschen eingeführte, gebietsfremde Pflanzen. Bei Lugano sind es gar schon 28 Prozent.
«Bald gibt es in weiteren Wäldern auf der Alpennordseite Palmen, wenn wir nicht aufpassen», sagt Bruno Baur, Professor am NLU. Und das sei ein Problem: «Generell gilt bei der Freisetzung und Ausbreitung von exotischen Pflanzen, dass sich die einheimische Pflanzenvielfalt schon nach kurzer Zeit verringert. Das hat bei den Palmen damit zu tun, dass sie immergrün sind: Was unter ihnen wächst, stirbt ab.» Mit potentiell verheerenden Folgen auch für den Menschen: «Hier etwa wegen Erosionsschäden», so Baur. «Denn das dichte Wurzelnetz der einheimischen Pflanzen bietet Schutz vor Erosion – es drohen, etwa am Bruderholz oder im Tessin, vermehrt Hangrutsche.»
Problem hausgemacht – Professor fordert Verbot
Die meisten der Palmen und anderer Neophyten, auch das zeigt die Basler Studie, gelangten über Gärten in Waldnähe in die Umwelt. Der Anteil der exotischen Pflanzen ist in siedlungsnahen Gebieten viel höher als im tiefen Wald. Das habe auch damit zu tun, dass manche Grünabfall im Wald entsorgten, so Baur: «Viele Leute denken, sie würden etwas Gutes tun, wenn sie Gartenabfälle im Wald entsorgen.» Doch bei manchen Exoten reiche schon ein ganz kleines Stück, aus dem sich wieder eine neue Pflanze entwickeln kann: «Darum sollte man Schnittgut von exotischen Pflanzen in der Verbrennungs- oder Biogasanlage entsorgen.»
Die Palmen-Invasion wäre leicht zu stoppen – mit einem Verzicht auf Problem-Pflanzen: «Mehr Aufklärung durch den Bund würde ich begrüssen», sagt Baur. Doch das würde kaum reichen. Baur fordert härtere Massnahmen. Eine neue Strategie des Bundes zur Biodiversität soll dieses Jahr herauskommen, invasive Arten seien ein wichtiger Teil davon. Bruno Baur: «Es wird vieles schlecht umgesetzt. Viele der Pflanzen auf der Schwarzen Liste des Bundes – etwa der Kirschlorbeer oder eben die Hanfpalme – sind in Gartencentern frei erhältlich. Dabei dürften diese Pflanzen nicht verkauft werden.»
Schwarze Liste ohne Durchsetzungskraft
Tatsächlich steht auf der Informationsseite des Bundesamts für Umwelt Bafu über Invasive Pflanzen auf der «Schwarzen Liste»: «Die Ausbreitung dieser Arten muss verhindert werden.» Auf der Schwarzen Liste sind derzeit 40 Arten – darunter die problematische Hanfpalme und die Kirschlorbeere. Nur: Beide sind im Handel frei erhältlich – verboten sind laut Freisetzungsverordnung FrSV lediglich zehn Pflanzensorten.
Gian-Reto Walther, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bafu, bestätigt: «Die schwarze Liste ist nicht an ein Verkaufsverbot gekoppelt.» Sie diene als Information. Immerhin würden «alle diese Pflanzen einzeln gekennzeichnet, damit die Käufer sehen, dass sie auf der Liste sind.» Sie werde fortlaufend nachgeführt, und die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse würden berücksichtigt. Derzeit arbeite das Bafu an einem Postulat «betreffend invasiver gebietsfremder Arten». Doch das dauert: Eine Antwort werde im Herbst vorliegen – und erst nach Erfüllung des Postulats «könnten» mögliche Anpassungen der Rechtsgrundlagen in Angriff genommen werden.
Palmen-Invasion bedroht auch Schweizer Tierwelt
Die Invasion der Neophyten bedroht nicht nur die Vielfalt der Pflanzenwelt: Auch die Fauna ist betroffen. So seien etwa die Lebensräume von Vögeln und Wildbienen in Gefahr. Um letztere kümmert sich ETH-Biologe Claudio Sedivy mit seiner Firma Wildbiene + Partner, die sich ganz dem Wohl der Schweizer Wildbienen verschrieben hat. Der Biologe: «Viele Grosshändler führen fast keine einheimischen Wildstauden.» Das sei für Tiere ein Problem: «Die einheimischen Wildbienen – über 600 Arten – sind von den invasiven Exoten bedroht, weil diese für sie als Nahrungsgrundlage wertlos sind.» Im eigenen Garten lasse sich die Biodiversität ganz einfach mit den richtigen einheimischen Pflanzen und Blumen steigern: «Schon summt und flattert es viel mehr», sagt Sedivy.
Auch Jonathan Levine, Leiter des ETH-Instituts für Pflanzenökologie, würde es begrüssen, wenn der Bund mehr unternehmen würde, um einheimische Pflanzen zu fördern. Er hatte in einer Studie nachweisen können, dass invasive Pflanzen einheimische Gewächse gar zum Aussterben bringen können. Levine: «Nach meiner Erfahrung fühlen sich die meisten Gartenbesitzer eng verbunden mit ihrem Garten – sehr wenige setzen bewusst Pflanzen, die natürliche Lebensräume bedrohen.» Deshalb sei das Schaffen von Bewusstsein für die Umweltrisiken zentral: «Das könnte ihre Häufigkeit in den Gärten verringern», so Levine.