«Schattenbudget»Hier soll Ueli Maurer jedes Jahr 9,4 Milliarden sparen
Avenir Suisse rechnet vor, welche Subventionen sich der Bund sparen könnte. Die Massnahmen würden am Schluss nur den Reichen nützen, findet die Linke.
Mehr auszugeben als einzunehmen, das ist für den Bund auf Dauer nicht möglich. Die Schuldenbremse sorgt dafür, dass Einnahmen und Ausgaben über einen Konjunkturzyklus gesehen im Einklang stehen – so will es das Gesetz. Weil die Ausgaben in den letzten Jahren gestiegen sind, ohne dass der Bund mehr eingenommen hätte, hat das Parlament das Stabilisierungsprogramm 2017 bis 2019 verabschiedet. Dieses soll das Ausgabenwachstum bremsen.
Für die Ökonomen des liberalen Think-Tanks Avenir Suisse ist das nicht genug. Sie schlagen deshalb ein «Schattenbudget» vor, das Finanzminister Ueli Maurer zahlreiche Sparvorschläge macht. So sollen 100 Millionen Franken durch die Neuorganisation der Bundes-IT gespart werden, 7 Millionen durch Streichung von Subventionen für das Nationalgestüt und 2,5 Milliarden durch Einsparungen bei den Bauern.
«Uns drohen bis 2020 tiefrote Zahlen», sagt Fabian Schnell, der den Budget-Vorschlag mitverfasst hat. Die demografische Entwicklung und grosse Infrastrukturprojekte würden den Bundeshaushalt in den nächsten Jahren so stark belasten, dass weitere Sparmassnahmen nötig seien. Die Vorschläge zeigten ein kurzfristiges Einsparungspotenzial von 1,7 Milliarden, längerfristig könnte der Betrag auf 9,4 Milliarden anwachsen.
Eine Auswahl von möglichen Massnahmen mit Sparbetrag:
Weniger Subventionen für Bauern: 2,5 Milliarden
«Das Schattenbudget nimmt sich insbesondere die Subventionen vor, die ineffiziente Branchen schützen», so Schnell. So gebe es in der Landwirtschaft durch die massive Subventionierung zu wenig Anreiz, effizient zu produzieren. «In der Schweiz wird die Landwirtschaft zu 60 Prozent aus Subventionen finanziert, in der EU sind es 20 Prozent, in den USA gar nur 10 Prozent.»
Dies führe dazu, dass der Konsument einerseits mehr Steuern, andererseits hohe Preise für teuer produzierte Ware bezahlen müsste. Der Think-Tank will die Subventionen auf EU-Niveau senken und so den Steuerzahlern die Zahlung von 2,5 Milliarden Franken ersparen.
Informatik zentralisieren: 100 Millionen
Bei der IT-Effizienz gibt es laut Schnell ein Zentralisierungspotenzial. «Würde man die IT zentralisieren und Kompetenzen bündeln, könnte man 10 Prozent der Kosten einsparen – das sind immerhin 100 Millionen Franken pro Jahr.»
Kurse für Arbeitslose streichen: 480 Millionen
Auch bei den Sozialausgaben will Avenir Suisse bei «nicht zielgerichtete Ausgaben» ansetzen. So ist dem Think-Tank etwa die Beteiligung des Bundes an Kursen für Arbeitslose ein Dorn im Auge. «Untersuchungen zeigen, dass gerade bei gut ausgebildeten Arbeitslosen die sogenannten Qualifizierungsangebote kaum nützen. Steuermittel können zweckmässiger eingesetzt werden.» Sparpotenzial: 480 Mio. Franken pro Jahr.
«Kostenwahrheit» bei der Mobilität: 900 Millionen
Für Avenir Suisse wird auch der Verkehr auf Strasse und Schiene zu stark vom Steuerzahler subventioniert. «Der Umfang der Subventionen – auch der indirekten – sollte zurückgefahren werden.» Kurzfristig soll deshalb der Pendlerabzug bei den Steuern abgeschafft werden, dies bringt Ersparnisse von 400 Millionen Franken. Weitere 500 Millionen können durch verstärktes Mobility Pricing und damit eine gezielte Verkehrslenkung erzielt werden.
Jedes Jahr einen Monat länger arbeiten: 44 Millionen
Beim Pensionierungsalter sieht Avenir Suisse ebenfalls Handlungsbedarf. Um die Finanzierung der AHV zu sichern, soll das Rentenalter an die Lebenserwartung angepasst werden – und zwar gleichmässig: Jedes Jahr soll das Pensionierungsalter um einen Monat nach hinten verschoben werden. Wer also 12 Jahre vor seiner Pensionierung steht, soll ein Jahr länger arbeiten, wer noch 36 Jahre vor sich hat, soll drei Jahre später in Rente gehen.
Margret Kiener Nellen, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Finanzkommission, hält nicht viel von den Vorschlägen von Avenir Suisse. «Dieser Leistungsabbau nützt primär den Reichen, die dann weniger Steuern zahlen müssten», sagt sie. Denn was der Mittelstand an Steuern spare, würde durch die höheren Kosten, etwa für die Mobilität, wieder wettgemacht. «Am Schluss zahlt der einfache Bürger die Steuererleichterungen für die Vermögenden oder für die Grosskonzerne.»
«Weder wirtschaftlich sinnvoll noch politisch durchsetzbar»
Auch hält sie die Angst vor Defiziten auf Bundesebene für unbegründet: «In den letzten acht Jahren hat der Bund über 25 Milliarden Franken Überschüsse aufgebaut. Mit der Schuldenbremse hat die Schweiz das weltweit strengste Ausgabenkorsett.» Auch in den nächsten Jahren solle man erst einmal abwarten, wie sich die tatsächlichen Einnahmen entwickeln.
Eine noch strengere Ausgabendisziplin sei für die Schweiz zudem eher schädlich als nützlich. «Wir haben jetzt schon eine der tiefsten Staatsquoten und Steuerquoten in Europa. Wir strahlen Sicherheit aus, was die Frankenstärke erhöht, die unsere Wirtschaft lähmt.» Schliesslich seien die Vorschläge weder wirtschaftlich sinnvoll noch politisch durchsetzbar. «Würden den Arbeitslosen die Weiterbildungskurse gestrichen, wäre das ein Schlag ins Gesicht der unzähligen Arbeitnehmenden, die in den letzten Jahren entlassen wurden.»