Hier ticken die Wähler besonders radikal

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Röthenbach im Emmental ist die politisch rechteste Gemeinde der Schweiz. Die linkste ist Le Locle (NE). Die neue politische Landkarte der Schweiz zeigt auch: Der Röstigraben existiert.

von
jep

In keiner anderen Schweizer Gemeinde wählen so viele Bürger rechts wie im beschaulichen 1300-Seelendorf Röthenbach im Emmental. Der Durchschnittswert beträgt dort 72,45 (siehe Box). Dies zeigt die Analyse des Politgeografen Michael Hermann, die er im Auftrag der «SonntagsZeitung» erstellt hat. Sie basiert auf neuen Zahlen des Bundesamtes für Statistik und zeigt für jede der 2504 Schweizer Gemeinden, welchen Parteien die Bürger an den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst ihre Stimme gaben.

Besonders auffallend an der politischen Landkarte ist der Röstigraben bei den Wählerstimmen. Während die zehn rechtesten Gemeinden alle in der Deutschschweiz liegen, befinden sich die besonders linken Wählergemeinden alle in der Westschweiz. Die linkste ist die Uhrenstadt Le Locle (NE) mit rund 10 000 Einwohnern und einem Durchschnittswert von 33.7. Ebenfalls besonders links ticken die Wähler von Lausanne (VD), La Chaux-de-Fonds (NE) und der Gemeinden Le Noirmont und Saignelégier im Jura.

«Gegensatz Jurabogen und Alpenbogen»

Auf Rang zwei der rechtesten Gemeinden liegt Unteriberg im Kanton Schwyz mit 72.32 Prozent rechten Wählern, gefolgt von Wolfenschiessen (NW), St. Stephan (BE) und Muotathal (SZ). «Es gibt einen klaren Gegensatz zwischen dem linken Jurabogen, der sich bis Basel hinzieht, und dem konservativen Alpenbogen, der bis in die Ostschweiz reicht», sagt Michael Hermann gegenüber der «SonntagsZeitung».

Die Gründe könnten im unterschiedlichen Staatsverständnis liegen. Während es im Westen eine republikanische Tradition gibt, beruhte in der Deutschschweiz die Gesellschaft vermehrt auf Zusammenschlüssen kleiner, eigenverantwortlicher Gruppen. Vielleicht sei die Linke in der Romandie auch deshalb stärker, weil der Antikommunismus in den romanischen Ländern nie so stark war wie in den übrigen westlichen Staaten.

Glückliche Landbewohner

Ein Alpenbogen oder Röstigraben zeichnet sich aber nicht nur politisch ab, sondern auch was die Zufriedenheit der Wohnsituation angeht. Dies zeigt eine neue Studie von «gfs-zürich Markt und Sozialforschung», die die Zeitung «Sonntag» publiziert hat. Demnach sind in der Romandie doppelt so viele Personen (36 Prozent) mit ihrem Zuhause unzufrieden wie in der Deutschschweiz (18 Prozent).

Unterschiede der Zufriedenheit zeigen sich auch zwischen Stadt, Agglomeration und Land. Während 65 Prozent der Städter mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind, sind es in der Agglomeration bereits 77 Prozent. Am glücklichsten sind mit 79 Prozent die Landbewohner. Dafür sind diese weniger zufrieden mit dem Einkaufs- und Freizeitangebot wie die Städter.

Die Messmethode

Zunächst wurden alle Parteien von der Freiheitspartei bis zur Partei der Arbeit gesondert für die Sprach- und Konfessionsregionen auf einer Skala von 0 (=links) bis 100 (=rechts) vorortet. Dies war notwendig, weil die Parteien nicht überall in der Schweiz gleich positioniert sind: die SP-Basis im Welschland ist zum Beispiel linker als jene in der Deutschschweiz. Für die Einordnungen wurden die Vox-Analysen über das Stimmverhalten beigezogen. Anschliessend wurden mittels der Wähleranteile, die die einzelnen Parteien erreichten, für jede Gemeinde einen Durchschnittswert berechnet.

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