Besuch bei RebellenHilft der IZRS syrischen Kriegsverbrechern?
Ein Vertreter des radikalen Islamischen Zentralrats der Schweiz hat in Syrien die Rebellengruppe Ahrar al-Sham besucht. Diese soll an der Tötung von 190 Zivilisten beteiligt sein.
Der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) hat im Syrien-Konflikt eine klare Meinung: Er stellt sich auf die Seite der Salafisten, die Machthaber Assad stürzen wollen. Dabei schreckt der IZRS auch nicht vor Kontakten mit Rebellengruppen zurück, die Kriegsverbrechen begehen: Im vergangenen August reiste Naim Cherni, Generalsekretär des IZRS, über die türkische Grenze in den Norden von Syrien. Dort liess er sich von Vertretern der Oppositionsgruppe Ahrar al-Sham begleiten, die das Gebiet kontrolliert.
Die sunnitische Ahrar al-Sham, die rund 20'000 Kämpfer umfasst, führt laut der International Crisis Group einen Glaubenskrieg mit dem Ziel, den schiitischen Einfluss im Land zu bekämpfen. Es handle sich um einen «islamisch-nationalistischen Verbund», so Islamwissenschaftler Reinhard Schulze.
190 Zivilisten getötet
In der gleichen Zeit, in der sich Cherni bei der Rebellengruppe aufhielt, führte diese zusammen mit anderen Gruppen in der Umgebung der Stadt Latakia eine Offensive. Dabei kam es laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen: In alawitischen Dörfern wurden mindestens 190 Zivilisten getötet, auch Frauen und Kinder. Ein Drittel der Opfer sei auf der Flucht umgebracht oder unrechtmässig exekutiert worden, so der Bericht von Human Rights Watch. Ein Teil der Vorfälle wird direkt der Ahrar al-Sham angelastet, die ihrerseits bestreitet, dafür verantwortlich zu sein.
Cherni sagt gegenüber der «NZZ am Sonntag», er habe von alledem nichts gewusst, meint aber gleichzeitig: «Dass im Krieg solche Dinge passieren, ist klar.» Bei Menschenrechtsverletzungen gebe es aber nichts zu diskutieren, davon müsse sich die Gruppe distanzieren. Den Begleitschutz dieser Gruppe habe er angenommen, weil sie «moderat» sei und grosse Akzeptanz in der Opposition geniesse.
Spenden für «soziale Projekte» der Rebellen
Bei einer Benefizveranstaltung in Zürich zugunsten von Syrien hat der IZRS Ende September 36'000 Franken gesammelt. Geplant war, dieses Geld in soziale Projekte der Ahrar al-Sham zu investieren. Laut Cherni wird dies nun überprüft. Er will bald erneut nach Syrien reisen.
Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, ist jedoch überzeugt, dass der IZRS genau weiss, dass die von ihm unterstützten Rebellen Kriegsverbrechen verüben. Es bestehe sogar die Gefahr, dass die Spenden, die der IZRS gesammelt habe, in Syrien für den Kauf von Waffen verwendet würden (siehe Box).

«Der IZRS weiss, dass Dschihadisten Mörder sind»
Frau Keller-Messahli*, erstaunt es Sie, dass der IZRS Beziehungen zu einer islamistischen Rebellengruppe wie der Ahrar al-Sham pflegt?
Saïda Keller-Messahli: Nein, es erstaunt mich gar nicht, dass der salafistische IZRS Kontakte mit salafistischen «Rebellen» in Syrien hat. Seine Sympathie für Dschihadisten, die für ihren Fanatismus und ihre Brutalität bekannt sind, entlarvt ihn und zeigt klar wofür der salafistische IZRS steht.
IZRS-Generalsekretär Naim Cherni sagt auch nach seinem Aufenthalt in Syrien, er habe nichts von Menschenrechtsverletzungen durch Ahrar al-Sham gewusst. Ist dies für Sie glaubwürdig?
Wer auf die Idee kommt, für Dschihadisten dieses Kalibers Geld zu sammeln, sie im Kriegsgebiet zu besuchen, um ihnen Gesellschaft zu leisten und sie «moralisch» zu unterstützen, kennt und teilt vorbehaltlos deren Ideologie, Methoden und Ziele. Der IZRS weiss genau, dass Dschihadisten Mörder sind. Er nimmt dies nicht nur in Kauf, sondern teilt deren Ansichten.
Gemäss seinen eigenen Aussagen will der IZRS in Syrien der notleidenden Bevölkerung helfen.
Der IZRS benutzt die karitative Schiene - Geld sammeln für Kriegsopfer - um den religiös motivierten Kampf der Dschihadisten gegen Assad zu unterstützen und Kontakte zu der salafistischen Szene in Syrien zu knüpfen. In dieser Szene sind viele Salafisten aus Europa - auch Konvertiten - in Kriegshandlungen involviert, man spricht von ca 15 Nationalitäten. Dort versucht der IZRS seine Vernetzung voranzutreiben und seinen Gesinnungsgenossen beizustehen. Er nimmt dabei gerne auch in Kauf, dass das gespendete Geld für den Kauf von Waffen eingesetzt wird. (lüs)
*Saïda Keller-Messahli ist Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam.