Forscher warnenHirn-Doping mit Strom – gefährlicher Trend
Im Internet boomen Kits, um die Hirnleistung mit elektrischer Stimulation zu verbessern. Auch Schweizer nutzen diese Geräte – gemäss Forschern mit erheblichen Gefahren.

So wirbt das Unternehmen Foc.us für seine Headsets. Anfragen beantwortet die Firma nicht.
Mittels transkranieller Gleichstrom-Stimulation (TDCS) versuchen Forscher aus aller Welt das menschliche Gehirn mit elektrischer Nachhilfe leistungsfähiger zu machen. Während seriöse Wissenschaftler Grundlagenstudien dazu durchführen, haben sich bereits Anbieter etabliert, die Geräte zum Selberbauen oder fixfertig designte TDCS-Geräte fürs traute Heim verkaufen.
Diese heissen beispielsweise Brain Stimulator oder Foc.us und können online bestellt werden. Brain Stimulator lieferte bereits Geräte in die Schweiz, wie ein Sprecher bestätigt.
Der Zürcher Neurowissenschaftler Tobias Hauser führte an der Uni Zürich diverse TDCS-Studien durch. Die Geräte von solchen Anbietern hält er für Humbug: «TDCS ist ein Forschungsinstrument, dessen genaue Wirkungsweise wir erst ansatzweise verstehen. Dass solche kommerziellen Geräte die Leistung verbessern, ist nicht nachgewiesen und müsste zuerst eingehend wissenschaftlich untersucht werden.»
«Kann lebensgefährlich sein»
Zudem gebe es immer mehr Berichte, dass solche Heimanwender-Geräte ernstzunehmende Nebenwirkungen haben können. So sei zum Beispiel von Hautverbrennungen die Rede gewesen. Hauser: «Man muss sehr genau wissen, was man macht, um TDCS gefahrlos anzuwenden.» Im Gehirn werden lebenswichtige Funktionen wie die Atmung gesteuert. «Theoretisch ist es möglich, dass sich jemand schwer schädigt oder gar in Lebensgefahr bringt.»
Vor den Do-It-Yourself-Kits warnt auch der Neurowissenschaftler Roy Cohen Kadosh von der Universität Oxford: «Man muss genau wissen, wie lange und wie stark man stimulieren kann», sagt er zur «BBC». Fehle dieses Wissen, könne eine Schädigung des Hirns nicht ausgeschlossen werden. Der Anbieter Foc.us beantwortete weder der «BBC» noch 20 Minuten entsprechende Fragen.
Auf Online-Foren haben sich verschiedene TDCS-Gemeinschaften gebildet. Dort wird schnell klar, dass ohne fehlende fachliche Unterstützung die Anwendung nicht immer glimpflich abläuft. Einige Anwender berichten von Hautverbrennungen, andere von gestiegenem Aggressionspotenzial nach der Stimulation ihres Hirns.
Leistung konnte verändert werden
Doch TDCS hat – richtig angewendet – durchaus Potenzial, wie Hauser nachweisen konnte. Er und sein Team hatten Probanden während der Stimulation unterschiedliche Aufgaben lösen lassen: Beispielsweise einfache Rechenaufgaben, aber auch Aufgaben, bei denen Rechnungen auswendig gelernt werden mussten.
Mit der Hirnstimulation konnte die Mathe-Leistung beeinflusst werden – zum Guten und zum Schlechten. «Verschiedene Faktoren beeinflussten das Ergebnis», sagt Hauser. «Es kommt darauf an, welche Hirnregion stimuliert wird, zu welchem Zeitpunkt und auch auf die Art der zu lösenden Aufgaben.» Das langfristige Ziel sei, mit solchen Stimulationen Personen mit Mathe-Schwierigkeiten zu helfen.
Doch wer sich mittels transkranieller Stimulation zum Superhirn brutzeln will, wird scheitern. Hauser sagt: «Wir wissen, dass wir die Leistung des Gehirns beeinflussen können, aber wenn wir eine Fähigkeit verbessern, dann verschlechtern wir meist eine andere Fähigkeit. Von einer Stimulation, die jemanden generell besser macht, sind wir noch weit entfernt.»