ETH-Professor«Wetter-Extreme häufen sich auch in der Schweiz»
Laut ETH-Klimaprofessor Reto Knutti werden Wetterextreme wie die aktuelle Hitzewelle noch zunehmen. Er warnt vor den katastrophalen Folgen, sollte sich die Schweiz nicht anpassen.
Herr Knutti, im Juni gabs noch Überschwemmungen und Unwetter, jetzt diese Hitzewelle. Was ist los mit unserem Wetter?
Extreme Wetterereignisse häufen sich weltweit, aber auch in der Schweiz. Es gibt mehr und längere Hitzeperioden, aber auch Starkniederschläge sind häufiger zu beobachten, die zu Überschwemmungen führen können. Der Grund dafür ist der Klimawandel. Für diesen ist ein extremes Ereignis wie die aktuelle Gluthitze zwar noch kein Beweis. Aber die schiere Häufigkeit extremer Wetterphänomene lässt keinen Zweifel offen, dass die Erderwärmung eine Rolle spielt. So konnten wir in einer Studie nachweisen, dass für die Hälfte bis 80 Prozent der Hitzeextreme weltweit der Mensch verantwortlich ist. Auch die Schweiz muss sich auf tendenziell heissere und trockene Sommer einstellen.
Viele Prognosen gehen davon aus, dass die Temperaturen weiter ansteigen. Was sind die Folgen?
Wenn sich die Menschheit nicht ändert, werden die Wetterextreme weiter zunehmen – und zwar nicht stetig, sondern immer schneller. Denn jedes halbe Grad, um welches sich die Erde erwärmt, wirkt sich immer stärker auf das extreme Wetter aus. Somit werden auch die extremsten Ereignisse wahrscheinlicher.
Wie gefährlich ist die Entwicklung?
Wetterextreme haben das Potential für immense Schäden, gerade dort, wo wie in der Schweiz die Bevölkerungsdichte hoch ist und viel teure Infrastruktur vorhanden ist. Nehmen wir den Hitzesommer 2003 als Beispiel: Dieser traf Europa unvorbereitet. In ganz Europa starben zehntausende Menschen an den Folgen der Hitze. In der Schweiz gab es Milliardenschäden in der Landwirtschaft, weil nichts mehr wuchs und die Ernte vertrocknete. Um solch katastrophale Folgen zu verhindern, müssen wir uns an die Wetterextreme möglichst gut anpassen.
Das ist leichter gesagt als getan.
Einige Massnahmen lassen sich relativ leicht realisieren. Die Investitionen in den Hochwasserschutz haben sich im Frühjahr bewährt. Und wenn die Sommer heisser werden, können wir von den südlichen Ländern lernen, zum Beispiel eine Siesta einführen. Auch Altersheime und Spitäler sollten Massnahmen treffen, vielleicht Klimaanlagen einbauen. Wichtig sind auch Warnungen und Aufklärung. Hier hat man nach dem Hitzesommer schon viel investiert – etwa in das nationale Naturgefahren-Portal.
Gefährdet das unberechenbare Klima langfristig die Versorgungssicherheit?
In der Landwirtschaft ist es schwieriger, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Die Schweiz wird in 50 Jahren zwar keine Wüste sein und auch Trinkwasser wird es genug geben, doch das Klima wird eher mediterran wie in Italien sein. Ob da eine breite Bewässerung von Feldern möglich sein wird, ist fraglich. Kartoffeln wird man dann vielleicht nicht mehr anbauen können, stattdessen muss man etwa auf robuste Getreidesorten setzen. Auch die Elektrizitätswirtschaft muss sich überlegen, wie sie mit den veränderten Bedingungen umgeht. Wenn die Kühlkapazität der Flüsse sinkt, müssen die Atomkraftwerke die Stromproduktion drosseln. Solche Szenarien sollten bedacht werden.
Ein Gremium, das den Bundesrat in Klimafragen berät, empfiehlt dem Bundesrat gemäss der «NZZ am Sonntag» rigorose Massnahmen, um die Klimaziele zu erreichen, etwa Kontingente für den Verkehr, strengere Gesetze und Normen. Ist das der richtige Weg?
Das ist eine politische Frage, die in einer Demokratie gemeinsam entschieden werden muss. Als Wissenschaftler stelle ich fest, dass die international geplanten Massnahmen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Am wirksamsten wäre wohl eine CO2-Steuer. Diese ist politisch aber kaum mehrheitsfähig.

Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich.