Imame bekennen sich zum Rechtsstaat – aus Kalkül?

Aktualisiert

Muslim-ChartaImame bekennen sich zum Rechtsstaat – aus Kalkül?

Albanische Imame wollen ein Zeichen gegen Radikalisierung setzen, doch eine Islam-Expertin sieht dahinter eine «orchestrierte PR-Aktion» der Saudis.

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Vertreter der Albanischen Muslime in der Schweiz bekennen sich in einer Charta zum Rechtsstaat, zur Trennung von Staat und Kirche, dem Vorrang von Schweizer Recht vor religiösem Recht und der Gleichberechtigung von Frau und Mann.
Das Verhältnis der beiden Vorsitzenden, Mustafa Memeti und Nehat Ismaili, war aber  nicht immer so harmonisch. Memeti warf im Sommer 2016 der Organisation von Ismaili vor, salafistisch geprägt zu sein, einen politischen Islam zu vertreten und mit extremistischen Kreisen zu verkehren.
Warum unterzeichnen die beiden also nun eine gemeinsame Charta? Weil auch Regierungsvertreter aus dem Balkan dabei waren,  vermutet die Islam-Kennerin Saïda Keller-Messahli politische Absichten.
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Vertreter der Albanischen Muslime in der Schweiz bekennen sich in einer Charta zum Rechtsstaat, zur Trennung von Staat und Kirche, dem Vorrang von Schweizer Recht vor religiösem Recht und der Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Keystone/Lukas Lehmann

Am Montag haben in Bern zwei Dachorganisationen albanischer Muslime gemeinsam eine Charta unterzeichnet. Sie bekennen sich in dem Dokument zum Rechtsstaat, zur Trennung von Staat und Kirche, dem Vorrang von Schweizer Recht vor religiösem Recht und der Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Den Anstoss für das Treffen und die Erklärung gab Naim Malaj, der frühere Botschafter von Kosovo in der Schweiz. Im Text bestätigen die Albanische Islamische Gemeinde der Schweiz und die Union der Albanischen Imame der Schweiz (UAIS) auch ihr Engagement gegen ein Ausnutzen ihrer Religion für politische oder extremistische Zwecke. Ebenfalls anwesend waren Delegationen der Schweizer Behörden sowie der Staaten Albanien, Kosovo und Mazedonien.

Sollen Moscheen auf den «saudischen Kurs» gebracht werden?

Das Verhältnis der beiden Vorsitzenden der albanischen Muslim-Verbände, Mustafa Memeti und Nehat Ismaili, war aber laut der «Aargauer Zeitung» nicht immer so harmonisch. Memeti habe im Sommer 2016 der Organisation von Ismaili vorgeworfen, salafistisch geprägt zu sein, einen politischen Islam zu vertreten, gar mit extremistischen Kreisen zu verkehren.

Warum unterzeichnen die beiden also nun eine gemeinsame Charta? Weil auch Regierungsvertreter aus dem Balkan dabei waren, vermutet die Islam-Kennerin Saïda Keller-Messahli politische Absichten: «Sie versuchen, politische Macht über die in den hundert Moscheevereinen organisierten Bürger zu erlangen. Ganz ähnlich, wie Erdogan das tut.» Keller-Messahli befürchtet nichts weniger als den Versuch, albanische Moscheen hierzulande «noch mehr auf saudischen Kurs zu bringen». Den Grund sieht sie im wachsenden Einfluss der Golfstaaten im ehemaligen Jugoslawien seit dem Ende der Balkan-Kriege. Die Charta sei nichts weiter als eine «orchestrierte PR-Aktion». Beweise für diese Anschuldigungen liefert Keller-Messahli im Artikel der «Aargauer Zeitung» nicht.

«Die Organisation ist nicht salafistisch geprägt»

Hansjörg Schmid, Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg, sieht die Imame nicht als Gefahr: «Aus meiner Sicht ist die UAIS nicht salafistisch geprägt», sagt er. Die Imame seien oft weniger konservativ eingestellt, als sie dargestellt würden. «Wir spüren eine deutliche Offenheit», so Schmid. Mit der Charta wollten die albanischen Muslime Vertrauen schaffen. «Gerade die albanischen Imame in der Schweiz sehen sich häufig der Kritik ausgesetzt, nicht glaubwürdig hinter der hiesigen Rechtsordnung zu stehen.»

Memeti selbst sagt: «Der Streit liegt in der Vergangenheit. Auch die UAIS muss nun beweisen, dass sie die Vorgaben aus der Charta in die Praxis umsetzt.» Das Papier allein stelle ja bloss eine Theorie dar.

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