GeschichtsunterrichtJunge SVP gibt eigenes Lehrmittel heraus
Die Junge SVP kritisiert, im Geschichtsunterricht würden bei den Kindern zu wenig patriotische Gefühle geweckt. Nun druckt sie eigene Lehrmittel.

Die erste Ausgabe von «Geschichte im Brennpunkt» befasst sich mit der Schlacht von Sempach.
Die Schweiz befindet sich in einem Jubiläums-Jahr: Die Schlacht am Morgarten 1315 jährt sich genauso wie jene bei Marignano 1515. Für die Junge SVP wissen die Schweizer Schulkinder jedoch zu wenig von diesen Ereignissen: Sie lanciert deshalb eine eigene Schriftenreihe namens «Geschichte im Brennpunkt». Es handelt sich um ein Lehrmittel für Primarschulen, mit dem Schüler über wichtige Ereignisse der Eidgenossenschaft aufgeklärt werden sollen.
Die erste Ausgabe wird noch diese Woche erscheinen. Lehrer können die Broschüre für fünf Franken pro Stück bestellen. Parteipräsident Anian Liebrand erklärt, das Lehrmittel habe das Ziel, die «Informationslücke» zu schliessen, die von den Bildungsinstitutionen offen gelassen werde: «Es soll einen Kontrapunkt zu linksideologischer Geschichtsschreibung darstellen.»
Gewisse Ereignisse hatten einen grossen Einfluss auf den Verlauf der eidgenössischen Geschichte, wie zum Beispiel die Schlacht von Sempach oder die Legende um Arnold Winkelried, so Liebrand. «Der linke Bildungs-Mainstream relativiert diese Ereignisse oder stellt sie als unsicher dar, damit die Kinder keine patriotischen Gefühle entwickeln.»
Tell in den Kontext stellen
SP-Nationalrat Matthias Aebischer versteht die Angst Liebrands nicht: «Überall sieht er immer linke Verschwörungen.» Die Geschichte über die Entstehung der Eidgenossenschaft sei Teil der Lehrpläne. Über Wilhelm Tell werde überall gesprochen. Es sei aber legitim, dass die Lehrperson die Tell-Geschichte in den richtigen Kontext stelle und zum Beispiel die verschiedenen Versionen des sagenumwobenen Tells erwähne.
Prizipiell hat Aebischer nichts gegen neue Lehrmittel. Lehrmittel zu produzieren sei ja nicht verboten, sagt Aebischer: «Solange es klar als SVP-Lehrmittel deklariert ist, finde ich es in Ordnung.» Es könne sogar spannend sein, verschiedene Auffassungen der Schweizer Geschichte miteinander zu vergleichen, um den Kindern zu zeigen, dass man Geschichte verschieden interpretieren könne. Ein Problem hätte er nur, wenn die Broschüre der Jungen SVP von einem Kanton als Lehrmittel vorgeschrieben werden würde: «In diesem Fall würde ich mich als Politiker vehement wehren.»
Unterschiedliche Bezüge zur Geschichte
Beat Zemp, der Zentralpräsident des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), beruhigt: «Was die einzelnen Lehrer als unterrichtsbegleitendes Lehrmittel benutzen, können sie selber wählen.» Grundsätzlich sei es aber kein Problem, wenn die Junge SVP das Gefühl habe, ein eigenes Lehrmittel anbieten zu müssen: «Wenn es didaktisch wertvolles Material ist, kann es eine Bereicherung sein.» Wichtig sei aber, dass die Broschüre die Kinder nicht indoktriniere: «In diesem Fall würde sie nicht in unser Schulsystem passen.»
Zemp weist auch den Vorwurf zurück, dass alle Lehrer links seien und die Entstehung patriotischer Gefühle verhindern wollten. Allerdings hätten die Lehrer in den verschiedenen Kantonen wohl unterschiedliche Bezüge zu den historischen Ereignissen: «Bei der Schlacht von Sempach gehörten beispielsweise auch Thurgauer zu den Verlierern, diese werden sich wohl kaum durch diese Schlacht mit der Schweiz identifizieren.»