Junge brauchen eine Pause von Facebook und Co.

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Online-StressJunge brauchen eine Pause von Facebook und Co.

Die Jugendlichen in der Schweiz sind überfordert und wünschen sich eine Pause von sozialen Netzwerken. 20 Minuten sucht nun nach solchen Facebook-Aussteigern.

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Das diesjährige Schweizer Hoffnungsbarometer bringt Unerwartetes zu Tage: Anstatt mehr Party wünschen sich in der Schweiz besonders die Jugendlichen vor allem mehr Ruhe und Ordnung in ihrem Leben. Dieses Bedürfnis hat sich im Gegensatz zum letzten Jahr um elf Prozent gesteigert. Auf einer Skala von 0 (nicht wichtig) bis 2 (sehr wichtig) liegen die Hoffnungen der Schweizer auf mehr Ordnung im Leben aktuell bei einem Wert von 1,45. Rund 3000 Personen wurden für das Hoffnungsbarometer von Swissfuture, der Vereinigung für Zukunftsforschung, befragt. Während bei derselben Studie für das Jahr 2013 der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz im Vordergrund stand, sind heute Freizeit und Ruhe weiter oben auf der Wunschliste.

Das Bedürfnis erstaunt die Studienautoren nicht. Laut Psychotherapeut und Mitautor Stefan Schwarz sind die Jungen vor allem von der Webpräsenz rund um die Uhr überfordert. «Der Wunsch, auf allen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen und die Angst, etwas zu verpassen, sorgt bei vielen Jugendlichen für Stress.» Nach dem Motto «weniger ist mehr» wolle man deshalb die Vielfalt in Beziehungen, in der Freizeit und im Beruf reduzieren. «So möchte man beispielsweise weg von den 500 Facebook-Bekanntschaften und zurück zu drei bis vier engen Freunden.»

Höhere Belastung im Job

Andreas M. Walker, Initiator und Gesamt-Projektleiter des Hoffnungsbarometers, sieht noch weitere Ursachen für das Bedürfnis nach einem geregelten Leben. Die Pubertät sei bekanntlich eine stressige Zeit. Beziehungen, Schule und Berufswahl würden die Jugendlichen unter Druck setzen. «Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie sich mehr Ordnung und somit mehr Ruhe im Leben wünschen.» Aber auch die Belastung in der Schul- und Arbeitswelt ist laut Schwarz in den letzten Jahren für Junge gestiegen. Dies zeigt sich in einem weiteren Ergebnis aus dem Hoffnungsbarometer. Demnach wünschten sich wiederum vor allem Junge mehr Freizeit.

Gleichzeitig mit der steigenden Belastung im Job habe die Selbstdarstellung auf Online-Plattformen wie Facebook und Twitter an Bedeutung gewonnen. «Vor allem Junge wollen sich dort präsentieren, besonders in der Freizeit», so Schwarz. Somit habe Freizeit für Jugendliche einen höheren Stellenwert als früher. Gemessen unter allen Teilnehmern hat die Wichtigkeit dieses Punktes um fünf Prozent zugenommen.

Weniger Sehnsucht nach Freizeit bei besserer Ausbildung

«Spannend ist dabei auch, dass sich Verheiratete nicht unbedingt mehr Freizeit wünschen», ergänzt Walker. Dies komme daher, dass sie sich über ihre Familie definierten. Sie arbeiteten für die Familie und fänden das sinnvoll. «Wer gerne arbeitet, sehnt sich auch weniger nach Freizeit», so Walker. So wird auch verständlicher, dass das Bedürfnis nach Mussestunden bei Personen mit einer höheren Ausbildung ebenfalls geringer ist. Besser ausgebildete Leute können dem Beruf nachgehen, den sie sich wünschen. «Wer eine Sinnerfüllung in seiner Arbeit findet, braucht weniger Freizeit», so Schwarz.

Doch auch die älteren Generationen sehnen sich nach Freizeit und Ordnung: die Gruppe der sogenannten Babyboomer, die Bevölkerungsgruppe mit Jahrgang 1955-65, stellt die grösste Bevölkerungsschicht der Schweiz dar. Laut Walker wollen sie, dass Ruhe und Ordnung in ihr Leben einkehren – ohne Stress und Angst um die Altersvorsorge. Man spreche nicht ohne Grund vom «geruhsamen Lebensabend».

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